Benkau Jennifer
Ich will als Geist zurück. Ich muss ihm beistehen.“
Das Bewusstsein, dass er litt und ganz allein war, ließ Helena eiskalten Schweiß ausbrechen.
„Ich sagte es bereits, Hexe. Mache dir keine Sorgen. Meinen Berechnungen nach besteht Grund, ihm zu vertrauen. Ich erwarte noch jemanden, musst du wissen. Eine Figur in meinem Spiel.“
Auf dieses Stichwort begann die Luft plötzlich zu flackern und eine zartgliedrige, kleine Frau mit langem, zu einem dicken Zopf geflochtenem Haar, erschien aus dem Nichts.
„Claire!“, rief Moira, strahlte die hübsche Mittzwanzigerin an und lief auf sie zu.
Wie zwei alte Freundinnen nahmen sich die Frau und das Schicksal an beiden Händen und schienen sich für einige Momente allein mit ihren Blicken zu unterhalten.
Helena konnte den sich ihr aufdrängenden Gedanken kaum zulassen, doch als die brünette Frau sie ansah, verwehten alle Zweifel.
„Lady Claire.“ Sie staunte. „Sie sind es wirklich, oder?“
„Sure“, gab diese freudestrahlend zurück. „Das bedeutet, Samuel ist es gelungen, zu finden seine zweite Seele.“ Ihr Strahlen verlor sich und wurde wehmütig, als sie Helena lange ansah. „Ein Tod, um tausend andere zu verhindern“, rezitierte sie mit ihrem englischen Akzent. „Ich sagte es ihm. Aber er glaubte, er selbst würde diesen Preis zahlen müssen. Es tut mir so leid, Helena. Ich durfte ihm nicht sagen, dass es kosten würde deinen Tod. Niemals wäre er diesen Schritt gegangen. Ich jedoch konnte nicht mehr länger warten.“
Helena ließ zu, dass die junge Lady Claire ihre Hand nahm. Sie hatte es also gewusst. Aber Helena gelang es nicht, etwas anderes als Verständnis zu empfinden. Vielleicht, weil sie derzeit andere, viel dringlichere Sorgen hatte, als das Vergeben von Vergangenem.
„Sie haben das Richtige getan. Ich hoffe es zumindest.“
Moira räusperte sich und schwang ihr knielanges Röckchen hin und her. „Claire, du hast doch sicher nicht vergessen, dass ich dir einen Wunsch gewährt habe. Du hast so lange auf deinen wichtigen Auftrag warten müssen. Nun soll mein Dank folgen. Was wünschst du dir?“
Sie beugte sich zu der Frau und flüsterte, jedoch so laut, dass Helena jedes Wort verstehen konnte: „Du kannst dir dein Leben zurückwünschen.“
Lady Claire lachte, als hätte Moira einen guten, jedoch nicht ganz jugendfreien Scherz gemacht.
„Oh dear, das ist wirklich das Letzte, was ich für mich wünsche. Um es ehrlich zu sagen: Ich möchte nichts lieber, als sehr schnell in diesem Paradies zu verschwinden, wo mein alter Geist sich kann verlieren. But Helena … Ich wünsche Helena könnte zurück zu ihrem Samuel. Gib sie ihm zurück, Moira. Dies soll mein Wunsch sein.“
Hätte Helena derzeit einen Herzschlag gehabt, dann wäre er ihr sicher wechselseitig ins Stocken geraten und um die Ohren gepoltert.
„W-was?“, stammelte sie. „Sie wollen Ihren Wunsch für mich … Nein! Warten Sie.“
„Ich möchte es. Du hast dich bewiesen, als du mir mein Horn brachtest, obwohl ich ein so grauenhafter Anblick war für dich. Wer hätte dies auf sich genommen, um die Wehmut einer alten Lady aus Knochen zu lindern?“
Helena schüttelte den Kopf. „Nein. Helfen Sie lieber Samuel, gegen den Dämon anzukommen. Ich will mein Leben nicht, wenn er es nicht schafft.“
„Tut mir leid“, mischte Moira sich ein. „Der Wunsch wurde ausgesprochen. Zeige Respekt vor Claire, indem du ihre Wünsche akzeptierst, Helena.“
So sehr sie es zu unterdrücken versuchte, aber Helena entwich ein trotziges Knurren. „Und was ist mit meinen Wünschen?“
„Beruhige dich!“ Moiras Stimme war plötzlich fest und autoritär. „Gleich sehen wir, ob Samuel den Kampf besteht. Zunächst aber sei still. Alles hat seine Zeit. Würdige den Moment.“
Sie streichelte noch einmal Lady Claires Oberarm, trat zur Seite und ließ die Frau in den Wald gehen. Lady Claire lief zielstrebig und ohne ein Zögern los, drehte sich mehrmals bewundernd um ihre eigene Achse, bis ihre Silhouette im Licht zwischen den Bäumen ihre Umrisse aufgab. Ein leuchtender Schein umgab die zierliche Frau, dann verschwand sie mit wenigen Schritten und wurde unsichtbar. Noch einmal trug der Wind ihr entzücktes Lachen mit sich, dann wurde es unwirklich still, ehe sich langsam wieder die Geräusche der Tiere und Vogelstimmen erhoben.
Für einen Moment verharrte Moira mit geschlossenen Augen, als wache sie still über den Vorgang. Dann nickte sie rasch und wandte sich Helena
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