Benkau Jennifer
spät, Samuel. Du kannst mein Angebot noch annehmen. Vergessen.“ Der Teufel tat einen lang gezogenen, genüsslichen Seufzer mit Helenas Stimme. „Wie viel Schmerz und Schuld fiele von dir ab. Es wäre alles fort.“
Fort … Aber auch die Erinnerungen würden verlöschen. Wie sanft vorbeigleitende, warme Windböen berührten sie ihn.
Helena in seinen Armen. Helena, wie sie ausgelassen in diesem Bach herumsprang. Helena, die ihm Trost gegeben hatte, bevor er wusste, wie nötig er diesen brauchte.
„Ich werde leben.“ Die Worte klangen entschlossen und bildeten einen krassen Gegensatz zu dem, was er fühlte. „Leben, und an jene denken, die gestorben sind. Das ist alles, was ich für sie tun kann.“
„Davon hat niemand etwas!“, zischte der Teufel.
„Doch. Ich.“
Ein lautes, hämisches Lachen durchbrach die nächtliche Ruhe. „Was bringt dir das, du Narr! Dir bleibt nur Schuld, die du nicht tragen kannst.“
„Ich bin stark geworden. Du ahnst nicht einmal, was ich tragen kann.“
Samuel wandte sich ab. Er musste Helenas Körper hier fortbringen, durfte sie nicht auf dem kalten, feuchten Boden liegen lassen. Die Schatten der Bäume streckten sich nach ihm. Da war noch ein weiterer Schatten über seiner Schulter; ein dunkler Schatten, der eisige Hitze abstrahlte. Doch ein Geräusch lenkte Samuel von der drohenden Gefahr ab. Ein schwaches Stöhnen, welches einen Hoffnungsschimmer aufglimmen ließ.
„Helena?“
Nein, das war wieder nur das teuflische Spiel.
Hoffnung zerschellte, Stärke brach. Samuel sank wie von einem Schuss getroffen in die Knie und stieß einen Schrei der Verzweiflung aus. Im gleichen Moment schoss die Klaue über ihn hinweg, verfehlte ihn um Zentimeter und packte ins Leere.
Samuel begriff sofort. Der Teufel hatte ihn sich mit Gewalt holen wollen.
Ein Schwall von Rachegelüsten jagte durch seine Venen. Das Schwert lag nah, er griff so hastig danach, dass er es nur an der Klinge zu packen bekam. Von unkontrollierbaren Gefühlen getrieben kümmerte er sich nicht darum, dass sie tief in seine Hand schnitt. Ineiner einzigen Bewegung sprang er auf die Füße, wirbelte herum und hieb dem Teufel die Waffe quer durch den körperlosen Leib. Dieser gab ein erbostes Kreischen von sich. Der nächste Windzug teilte ihn entzwei.
„Du widerstehst mir nicht!“ Der Teufel hatte Helenas Stimme verloren und krächzte nur noch blechern. „Nicht nach all den Jahren. Das wagst du nicht.“
„Da muss dir was entgangen sein“, erwiderte Samuel leise.
Er konnte den Teufel nicht vernichten, doch er konnte ihm eine Abfuhr erteilen, die dieser seine ganze verdammte Existenz lang nicht mehr vergessen sollte. Ein zweiter Schwertschlag schlug der Gestalt das Haupt von den verhüllten Schultern.
„Fahr zur Hölle, Arschloch.“
Und das tat der Teufel ohne ein weiteres Wort. Nur die vergebliche Hoffnung schürte er ein weiteres Mal, indem er Helenas Stimme schändete und damit kraftlos Samuels Namen hauchte.
Samuel brannten die Sicherungen durch. Sein Geist, der den Dämon im Zaum hielt, kapitulierte vollends. Heißer Zorn flutete seinen Körper. Seine Faust ballte sich wie im Krampf um die Schwertschneide und Blut troff aus seiner Hand. Der Schmerz peitschte die Emotionen hoch. Emotionen, die er freilassen musste, da sie ihn ansonsten aus dem Inneren heraus zerfetzen würden. Mangels eines Gegners ging er blind vor Wut auf den nächsten Baum los. Brüllend hieb er darauf ein, sodass Rinde und Holzsplitter um ihn herumflogen. Er rammte das Schiavona-Schwert tief ins Holz, boxte daraufhin mit den Fäusten auf den Stamm ein. Wieder und wieder schlug er zu, bis seine Fingerknöchel aufgeplatzt waren und das Blut vor Anstrengung schwallweise aus der Schulterwunde quoll. Sein Gebrüll war längst zu einem heiseren Keuchen verendet.
Sterne tanzten vor seinen Augen. Seine Haut war eiskalt und zitterte trotz der vernichtenden Hitze in seinen Adern. War die am Boden liegende Taschenlampe inzwischen verloschen oder warum schien die Nacht mit jedem Augenblick dunkler und dunkler zu werden? Seine Lider wurden träge, die Arme schwer. Es wurde immer kälter.
„Samuel.“
Er hörte Helenas Stimme.
Kam der Teufel zurück? Kraftlos sank er in die Knie. Ihm war keine Stärke mehr geblieben, länger zu widerstehen. Er kroch mühsam zu Helenas Leichnam, zog ihren Oberkörper an sich und vergrub das Gesicht an ihrem Hals, wo er sich seiner Tränen nicht schämen musste.
„Samuel“, wisperte Helena.
Ihr
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