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Benkau Jennifer

Benkau Jennifer

Titel: Benkau Jennifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phoenixfluch
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wunderbarsten Gerüche mit sich, und der Himmel war azurblau und frei von jeder Wolke. Es gab keine Sonne, und doch war alles erfüllt von Wärme und Licht.
    Wahrhaft, dies musste der Garten Eden sein.
    „Der Ort lebt von den Seelen der Verstorbenen“, erklärte das Mädchen, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Sie zwinkerte an ihm vorbei in eine Richtung, in der niemand stand. „Sie geben ihm alle Energie, die er braucht. Der Ort gibt ihnen dafür eine Heimat. Sie wünschen sich eine Heimat, weißt du. Jeder wünscht sich eine Heimat.“
    Er hielt den Atem an. Wenn die Verstorbenen hier waren, dann auch Elisabeth. „Wo sind sie?“
    Das Mädchen lachte glockenhell und drehte sich im Kreis, die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt. „Sie sind überall“, rief sie, in einenfröhlichen Singsang verfallend. „Ü-ber-all. Im Wasser, in der Erde, im Licht und in der Luft. Überall, ü-ber-all, üüüberall.“
    „Wo? Ich sehe sie nicht.“
    „Nein.“ Jäh hielt das Kind inne und sah ihn mitleidig an. „Nein. Du siehst sie nicht. Denn du bist keiner von ihnen. Du bist nicht hier. Darfst es gar nicht sein. Du glaubst es nur. Illusion, Illusion.“
    „Nennst du mir den Grund?“
    „Vielleicht.“ Sie kletterte flink wie ein Eichkätzchen an einem von Flechten bewachsenen Baumstamm empor, setzte sich bequem auf einen Ast und ließ die nackten Füße baumeln. Die Nägel an Zehen und Fingern waren lang und schimmerten wie Perlmutt. „Aber frag mich erst das Wichtige.“
    „Das Wichtige?“ Er schnaubte. „Was meinst du damit? Was ist das Wichtige?“
    Sie lächelte ihn nur an.
    Samuel rieb sich die Stirn. Er musste träumen. Dieses seltsame Kind dachte wohl, ihn narren zu können. Was glaubte sie, wer sie war?
    Er stutzte. „Ist es wichtig, zu wissen, wer du bist?“ Ihr Lächeln schwoll zu einem Strahlen an. „Dann frage ich dich das. Wer bist du?“
    „Das Schicksal“, murmelte sie tonlos und ließ ihren Blick in den Wald schweifen. Plötzlich schien sie wie in Gedanken versunken. „Manche nennen mich Moira. Der Name gefällt mir. Nenn mich so, nenn mich Moira. Ich bin das Schicksal aller. Ich treffe Entscheidungen, um die Pläne des Teufels zu verhindern. Und du, Samuel, bist hier, weil du“, sie zögerte einen winzigen, bedeutungsschweren Moment, „meine Pläne verhindert hast.“
    Samuel stand wie erstarrt. Nur langsam drangen die Worte in sein Bewusstsein, verwoben sich zu einer Aussage und blieben ihm doch unverständlich. Aber jedes Wort war wahr. Sie log nicht, so wenig, wie er träumte, daran bestand kein Zweifel. Er schüttelte den Kopf und ließ sich auf einer ausgreifenden Baumwurzel nieder, von der aus er Moira ansehen konnte.
    „Was immer ich falsch gemacht habe“, er räusperte den belegten Klang von seiner Stimme, „ich wollte dir keine Schwierigkeiten machen.“
    „Du hast mir keine Schwierigkeiten gemacht. Mir nicht.“ Sie lockte eine Amsel zu sich, bis diese auf ihr Knie hüpfte und sich das schwarze Gefieder streicheln ließ. „Doch die Menschheit wird büßen müssen. Spielst du Schach, Samuel?“
    Der seltsame Themenwechsel wunderte ihn kaum mehr. „Nicht gut.“
    Sie kicherte. „Nun, ich spiele sehr gut. Mein Brett hat viele Figuren, weißt du? Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele. Es ist so einfach und immer das Gleiche. Schwarz gegen Weiß. Anziehen und nachziehen. Bedrohen und decken. Zug um Zug. Reine Mathematik und Strategie. Und immerzu Schwarz gegen Weiß.“ Verträumt sah sie in den Himmel. Dann schnalzte sie wie im Tadel an sich selbst mit der Zunge und sagte: „Im letzten Zug jedoch übersah ich einen Bauern. Er entglitt mir. Statt seine Aufgabe zu erfüllen, traf er eine eigene Entscheidung. Er beging einen Fehler und fiel zu früh. Sein Feld wurde von Schwarz eingenommen. Mein Springer konnte nur noch versagen.“
    Sie legte eine lange Pause ein, in der er Zeit fand, sich darüber klar zu werden, dass er dieser Bauer war. „Was habe ich falsch gemacht? Hätte ich an diesem Abend daheimbleiben sollen? Hätte ich Elisabeth retten können, wenn ich bei ihr geblieben wäre?“
    Sie leckte über ihre Unterlippe, im gleichen Moment flatterte der Vogel aufgeschreckt davon. Samuel blinzelte. War es Einbildung, oder war die Zunge des Mädchens gespalten? Sie zuckte mit den Schultern.
    „Nein. Ihr Tod war unvermeidlich. Es war ihr Schicksal. So wie es euer beider Schicksal war, das Kind zu zeugen. Sie hat es geboren und allein gelassen, so wie es ihre

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