Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Benkau Jennifer

Benkau Jennifer

Titel: Benkau Jennifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phoenixfluch
Vom Netzwerk:
Zähne.
    Samuel konnte nur fasziniert zusehen, wie das Tier sich auf einem der unteren Äste des Weltenbaums niederließ. Riesige Krallen umklammerten das Holz und ließen die Rinde abblättern. Die schwarzen Augen des Vogels gaben Samuel nicht mehr frei. Er fühlte sich taxiert wie ein Stück Fleisch.
    „Der Phoenix“, erklärte Moira. „Er symbolisiert in vielen Kulturen die Auferstehung und zugleich das ewige Leben. An diesem Ort jedoch liegt seine wahre Bestimmung. Er erhellt mein Reich, solange die Sonne nicht scheint. Ihr Licht strahlt aus seinen Federn. Während der acht Stunden der Nacht ist er mein Licht und leuchtet für all die Seelen hier. Er lässt das Himmelsreich nie finster werden. Doch wenn der Morgen anbricht und die Sonne sich über den Horizont erhebt, verbrennt er unter ihrem ersten Kuss. Sieh es dir an.“
    Moira schloss die Augen, als würde sie den folgenden Anblick nicht ertragen. Nahezu im gleichen Moment stahl sich ein blasser Lichtschein durch die Bäume. Er zog einen Schweif hinter sich her, in dem Staub tanzte. Als der Sonnenstrahl auf den Phoenix traf, fing dessen Gefieder Feuer. Unter einem Schrei, der den Wald erschütterte, und Samuel fast zwang, sich die Ohren zuzuhalten, breitete es sich aus, und der Vogel ging in einem heftigen Inferno in Flammen auf. Das Knistern des Feuers verschlang seine qualvollen Laute. Er wand sich inmitten der Flammen und krallte seine verbrennenden Klauen tiefer in den Ast, auf dem er saß. Sterbend hielt er noch immer Samuels Blick. Samuel erkannte sein eigenes Spiegelbild, von Flammen verzehrt, in den schwarzen Pupillen. Nur wenige Sekunden brannte der Phoenix lichterloh, dann verging er. Seine Asche schneite friedlich zu Boden. Es war vorbei. Während des kurzen Feuers hatte sich die Sonne endgültig über den Horizont erhoben.
    „Heute Abend, zwei Stunden vor Mitternacht, wird er aus der Asche auferstehen“, sagte Moira und lächelte trübselig. „Dies ist sein Schicksal, seine Bestimmung, sein Segen und sein Fluch. Und ab heute teilst du all dies mit ihm.“
    Samuel verstand nicht. Die Asche fiel noch, die Luft roch nach verbranntem Fleisch, Federn und versengtem Horn. Er glaubte, noch immer die schmerzerfüllten Schreie des Vogels zu hören. Er sollte dies mit ihm teilen? Das hatte sie nicht ernst gemeint. Wovon redete dieses Kind da?
    „Sobald der Phoenix zu Asche verbrennt, wird er dir sein Leben schenken und du bist für den Tag frei. Doch am Abend, wenn der Phoenix sich erhebt, wirst du es sein, der brennt. Bis du aus deinem Fehler klug geworden bist.“
    Barbarisch! „Das kannst du nicht machen“, flüsterte er. Warum flüsterte er? Er wollte schreien, wüten und toben, aber er konnte nicht. Sein Zorn war tot. „Moira, ich bitte dich. Diese Strafe, sie ist …“
    „Die einzige Möglichkeit, dich irgendwann von deiner Schuld zu befreien. Viele werden sterben, Samuel. Stirb mit ihnen. Stirb für jeden Einzelnen von ihnen und bezahle deine Schuld. Wenn du dann begreifst, was ich dich zu lehren versucht habe, wirst du den Fluch brechen.“ Sie senkte betroffen den Blick, grub ihre Zehen in den weichen Humusboden. „Doch vergiss den Teufel nicht. Er wird dich locken, in jeder Nacht auf ein Neues. Gibst du ihm nach, so gehörst du ihm. Du musst ihm widerstehen, Samuel. Finde deine Willenskraft zurück.“
    Verwirrt krallte er die Hände in das Leinen seines Hemdes, um ihr Zittern einzudämmen. Es gab keine Worte mehr zu sagen. Es gelang ihm kaum, sich vorzustellen, was sie von ihm verlangte und doch standen die Bilder klar und deutlich vor seinen Augen. Er sah sich selbst in Flammen.
    „Ich … ich konnte es nicht wissen“, stammelte er endlich. „Ich wollte das nicht.“
    „Worte sind ohne Macht in meiner Welt. Du wirst dies mit Taten sagen müssen. Hab nur Vertrauen, Samuel. Nicht nur der Teufel wird bei dir sein.“ Wieder lächelte sie schelmisch einen Punkt an, an dem niemand war. „Auch meine Augen werden dich in ihrem Blick halten. Ich werde dir helfen. Zug um Zug.“
    „Helfen?“ Er versuchte, Wut in seine Worte zu legen und hörte selbst nur Angst. „Diesen Fluch nennst du Hilfe? Du nutzt meine Familie für deine abscheulichen Spiele. Du tötest meine Frau, um mein Kind zu einer Waffe zu machen. Du bist nichts als ein grauenerregendes Monster!“
    Ihr Lächeln schwand nicht, aber es wurde so kalt, dass Samuel sich an die Winternacht erinnerte, in der er erfroren war. Er bereute seine scharfen Worte nicht. Er wollte nicht

Weitere Kostenlose Bücher