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Benkau Jennifer

Benkau Jennifer

Titel: Benkau Jennifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phoenixfluch
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Stiefel und derart erschöpft, würde er die Nacht hier draußen nicht überleben. Mühsam kämpfte er sich weiter und bemerkte nur halbherzig, dass er sich nicht umgewandt hatte. Er wollte nicht zurück in die Stadt. Nicht zurück zu den glotzenden und gaffenden Leuten. Nicht zurück zu dem Kind. Wie sollte er es auch retten? Sicher war es längst tot. Nicht zurück zu ihrem kalten Körper, der so fremd war, so weit entfernt. Er musste zu Betti. Die Kälte würde ihn leiten.
    Er lief weiter auf die Dunkelheit zu. Jeder Schritt schien ihn näher zu ihr zu führen. Hörte er da nicht längst ihre Stimme die Stille der Nacht durchdringen?
    „Ich bin ein Glied an deinem Leib,
    Des tröst’ ich mich von Herzen.
    Von dir ich ungeschieden bleib’,
    In Todesnot und Schmerzen.“
    Freude schlich sich zaghaft in sein Herz. Sie musste es sein. Er kannte das Lied nicht, doch er erkannte ihre Stimme. Sie glaubte nicht, dass sie schön sang, daher tat sie es immer ganz leise. Wie jetzt. Er folgte dem Gesang. Der Wald vor ihm wuchs in die Höhe, der Schmerz in seinem Körper ließ nach. Er lächelte, als er feststellte, dass er kaum mehr zitterte. Längst war ihm nicht mehr kalt. Alles würde gut werden, solange er nur weiterging.
    Doch da waren Zweifel. Weitere Stimmen, darunter seine eigene und die eines Kindes. Sie mahnten ihn umzukehren. Du musst stark sein. Du musst widerstehen. Geh nach Haus, überstehe es und halte ihr Bild in Angedenken .
    Er hörte nicht zu. Er wollte Elisabeth nicht gedenken, er wollte zu ihr. Sie war doch dort, er musste nur weitergehen und ihrem Lied folgen.
    „Wenn ich gleich sterb, so sterb ich dir,
    Ein ew’ges Leben hast du mir
    Mit deinem Tod erworben.“
    Als er den Waldrand endlich erreicht hatte, erblickte er eine Gestalt an einer Buche lehnend. Der Stamm war von bleichem Reif überzogen, ebenso das bodenlange Gewand der Person. Schlank war sie, und überragte ihn um mehr als einen Kopf. Eine seltsam verformte Kapuze bedeckte ihr Haar, das Gesicht lag im Schatten. Am Saum der Ärmel hingen Eiszapfen, als wartete die Gestalt seit Stunden hier.
    „Da bist du ja“, flüsterte sie. „Ich wusste, du würdest kommen.“
    Jede Hoffnung fiel von ihm ab, wie ein letztes wärmendes Kleidungsstück. Sie war es, die gesungen hatte. Nicht Elisabeth. Nun stand er da wie nackt, vollkommen ungeschützt den verborgenen Augen dieser Fremden ausgeliefert. Ohne ihr Gesicht zu sehen, wusste er, dass sie ihn aufmerksam musterte. Er spürte ihren Blick die Kälte durchdringen, wie ein nah an die Haut gehaltenes Brandeisen. Bereit, ihn zu zeichnen.
    „Ich habe nach dir gerufen, Samuel.“
    Er wollte sie fragen, wer sie war, woher sie seinen Namen kannte und was sie von ihm wollte. Aber die Zunge klebte ihm am Gaumen, schien so schwer und träge wie sein Körper. Es war alles nicht länger von Bedeutung.
    „Ich möchte dir etwas anbieten, Soldat.“
    „Was?“ Seine Stimme war nur ein Krächzen. Die Knie wurden ihm weich. Er fragte sich nicht, aus welchem Grund sie ihn so nannte und woher sie wusste, dass er kommen würde.
    „Frieden.“ Sie bewegte sich nicht. „Ich kann dir allen Schmerz nehmen, das Loch in deinem Inneren wieder füllen, welches deine Frau hinterlassen hat.“
    „Kannst du“, seine Stimme ließ vollends nach, er hauchte nur noch Hoffnung lautlos in die Stille, „sie zurückbringen?“
    „Nein, das vermag ich nicht. Und jene, die es kann, wird es nicht tun. Ich kann dich lediglich von deinem Schmerz befreien. Willst du unbeschwert sein, so komm zu mir und werde mein. Wenn du aber in Freiheit leben willst, was Trauer mit sich trägt, dann kehre um und geh nach Hause. Noch ist es möglich.“
    Er glaubte ihr nicht. Halb erfroren, wie er war, würde er den Weg zurück nicht mehr schaffen. Die Erschöpfung lag bereits wie eine schwere Decke über ihm. Seine Füße schmerzten nicht mehr. Er wusste, was das bedeutete. Die Zehen froren ab. Er wollte nur noch den Kopf hinlegen, schlafen und nie mehr erwachen. Ein Teil von ihm begehrte auf, widersprach, und sagte ihm wieder und wieder, dass es nicht richtig sei, aufzugeben. Schrie ihn an, gefälligst im Kampf zu fallen, wenn es denn sein musste. Doch Samuel war müde. Es gab nichts mehr, worum es sich zu kämpfen lohnte.
    „Der Krieger in deinem Inneren ist stark“, schmeichelte ihm die Gestalt und streckte ihre im Ärmel verborgene Hand nach ihm aus. „Ich will ihn für mich. Schenk ihn mir und du wirst nie mehr leiden.“
    Ja. Er

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