Bennys Blutgericht
Sie sahen aus wie Mutter und Sohn, und niemand sah das Messer in Amys Hand, dessen spitze ständig den Körper des Jungen berührte, um ihm klarzumachen, wer hier das Sagen hatte.
Calypso öffnete noch nicht. Auch an den Fenstern bewegte sich nichts. Der alte Wohnwagen sah verlassen aus, und Benny glaubte für einen Moment, daß er es auch war.
»Willst du nicht anklopfen?«
»Sofort.«
Amy schaute zu, wie Benny vor ihr die drei Holzstufen der Treppe hochging. Bevor er klopfte, drehte sie sich kurz um, weil sie sehen wollte, was hinter ihr geschah. Da passierte nichts. Keine Veränderung. Nur die Blicke der Menschen waren nach wie vor auf sie gerichtet.
»Kommt rein!«
Die Stimme des Voodoo-Meisters hatte normal geklungen. Sogar sympathisch, wie Amy feststellte. Sie war sehr gespannt darauf, ihn endlich kennenzulemen. Zwar hatte Benny ihn beschrieben, aber es ging nichts über einen persönlichen Kontakt.
Benny drückte die Tür auf. Sie schwang noch nach innen, als er sagte: »Ich bin nicht allein gekommen. Ich habe jemand mitgebracht. Sie heißt Amy Baker.«
»Ja, ich weiß. Ich habe euch gesehen. Ich freue mich, daß du jemand mitgebracht hast.«
Benny wunderte sich über die Reaktion. Er hatte damit gerechnet, daß der Voodoo-Meister dank seiner Kräfte schon vieles wußte und entsprechend handeln würde, aber er hatte sich als ein Gastgeber entpuppt und erwartete sie in der Mitte seines Wagens stehend, eingehüllt in ein Halbdunkel, denn durch die Fenster fiel nur wenig Licht in das Innere hinein.
Amy drückte die Tür wieder zu. Sie blieb hinter Benny stehen, konnte aber an ihm vorbei auf den Schwarzen schauen, der sich nicht bewegte. Er war sehr dunkel. Auf seinem Kopf wuchs kein Haar. Das helle Hemd hing ihm über die Hüften hinab, und er hatte den Blick seiner großen Augen auf beide gerichtet.
Die Giftmörderin hielt das Messer noch fest. Den rechten Arm hatte sie gegen ihren Körper gedrückt, und die Klinge drückte leicht gegen ihr Bein. Angst verspürte sie nicht, auch wenn der Mann sie überragte. Ihr kam nur die Umgebung so fremd vor. Dazu zählten auch die Gerüche, die so fremd waren. Exotisch war ein besserer Ausdruck. Im Hmtergrund brannte eine kleine Lampe.
Sie stand wie ein voller Mond in der Luft und schickte ihr Licht auch über eine dunkle Fläche hinweg, die ein schwaches Schimmern erhielt. Es war eine Wasserfläche, sehr dunkel und auch irgendwie geheimnisvoll. Das Wasser oder die Flüssigkeit befand sich in einer ovalen Wanne.
Eine Liege. An den Wänden hingen Figuren oder Bilder. Es war nichts genau zu erkennen, weil die Düsternis zu sehr vorherrschte.
»Ich bin Amy«, sagte sie.
Calypso nickte. »Ich kenne dich.«
»Ach ja…?«
»Ich erinnere mich an die Puppen. Eine war dabei, die Ähnlichkeit mit dir aufwies.«
»Sie ist eine zweifache Giftmörderin«, sagte Benny. »Sie ist so schlimm wie die anderen Mörder, von denen ich die Puppen habe herstellen lassen. Du hast sie geweiht, Calypso. Dafür bin ich dir dankbar, auch wenn mein Plan nicht aufging.«
»Du wolltest morden, Junge.«
»Nein, rächen!«
Der Schwarze schüttelte den Kopf. »Ich habe einen Fehler gemacht, als ich dir vertraut habe. Ich hätte dich mehr auf die Regeln des Lebens hinweisen müssen. Wer soviel Wissen besitzt wie ich und später auch Wissen weitergibt, der hätte eine bessere Menschenkenntnis haben müssen. Aber auch ich bin nur ein Mensch, und ich denke, daß ich leider der falschen Person vertraut habe.«
»Wieso? Ich mußte es tun. Ich wollte sie leiden lassen. Ich wollte sehen, wie sie litten, verstehst du. Die Puppen waren deshalb wichtig. Sie würden die Schmerzen übertragen und…«
»Ich kenne alles, Benny und bleibe dabei, daß ich mich geirrt habe. Du hast mich enttäuscht, aber ich weiß auch, daß die restlichen Puppen kein Unheil mehr anrichten können. Eine andere und stärkere Kraft hat sie besiegt. Es gibt sie nicht mehr. Es kann sie einfach nicht mehr geben, verstehst du?«
Benny nickte heftig. »Ja, sie sind verbrannt. Einfach verbrannt. Ohne das Feuer daran gehalten worden wäre.«
»Nicht alle.«
»Wieso?«
»Eine existiert noch. Aber das weißt du. Es ist die Puppe deiner Begleiterin. Du hast sie doch auch umbringen wollen, Benny. Warum hast du es nicht getan?«
»Es hat sich nicht so ergeben.«
»Aja. Und jetzt bist du zu mir gekommen, um die Tat nachholen zu können.«
»Es wäre nicht schlecht. Sie… sie… hat zwei Menschen umgebracht. Heimtückisch.
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