Bennys Blutgericht
»Besonders in dieser Gegend.«
»Da haben Sie recht.«
»Sie arbeiten immer hier?« fragte Suko.
»So ist es. Werde ich jetzt verhört?«
»Nein, nur ein paar Auskünfte. Wahrscheinlich werden Sie die Bewohner hier kennen.«
»Einige schon.«
»Wir suchen eine Frau, die Amy Baker heißt.«
»Ach.« Unsere Politesse lächelte. »Sie meinen die Tänzerin?«
»Genau die.«
»Ja, die wohnt hier.« Sie deutete auf das entsprechende Haus. »Aber sie ist nicht anwesend.«
»Wissen Sie das genau.«
»Ja, denn ich hätte es gesehen. Ich bin den ganzen Morgen unterwegs in dieser Straße. Außerdem hat sie in den Stunden am Vormittag zumeist Training.«
»Da waren wir schon und haben sie nicht angetroffen.«
»Ich wette, daß sie noch nicht zurückgekommen ist.«
»Danke.«
Verlassen wollten wir uns nicht auf die Aussage der Frau. Wir gingen auf die dunkle Haustür zu. So alt der Bau auch war, man hatte ein neues Klingelbrett mit den Namen der Bewohner dort angebracht. Amy Baker stand in Schreibschrift zu lesen.
Ich schellte. Wie schon vermutet, tat sich nichts. Die Haustür blieb verschlossen. Es öffnete auch niemand von innen. Nach dem dritten Versuch gab ich auf.
Suko war außerhalb der Türnische geblieben und hatte an der Fassade hochgeblickt. Auch ihm war keine Bewegung hinter einem der Fenster aufgefallen.
Die Politesse hatte gewartet und unsere Bemühungen verfolgt. »Wie ich Ihnen schon sagte, sie ist nicht da.«
»Gut beobachtet.«
»Fahren Sie nicht?«
Ich nickte ihr zu.
Wir versperrten den Fußgängern den Weg. In dieser Straße herrschte jede Menge Betrieb. Wohnund Geschäftshäuser reihten sich aneinander. Es gab auch Kneipen und Imbisse, und wir erlebten zudem einen Sprachenwirrwarr.
Neben dem Wagen blieben wir stehen. Suko, der schon den Schlüssel in der Hand hatte, hielt plötzlich in der Bewegung inne. Er hatte gesehen, daß ich ziemlich unnormal neben ihm stand.
»Was ist?«
»Die Puppe«, sagte ich leise.
»Wieso?«
Ich holte tief Luft, dann erst schob sich die Hand in die rechte Außentasche der recht langen Jacke. Die Veränderung war sofort spürbar. Zwar glitt meine Handfläche noch über die normale Kleidung und auch über das Holz hinweg, aber die leichten Vibrationen und die Wärme waren neu für mich.
Von Suko beobachtet, zog ich die Puppe langsam aus der Tasche hervor. Ich konzentrierte mich dabei auf das Gesicht, um zu sehen, ob darin so etwas wie Leben hineinglitt, aber das Holz blieb starr. Ebenso die blauen Augen.
»Was ist denn nur mit ihr?«
»Sie hat sich erwärmt. Als wäre eine Kraft in den kleinen Körper gefahren.«
Suko lächelte nicht über meine Antwort. Er fühlte selbst und deutete ein Nicken an. »Ja, du hast recht. Das ist nicht die Wärme deiner Tasche.«
Ich legte die Puppe rücklings auf meine linke Hand. Der Wagen schützte uns ein wenig, so daß unser Handeln nicht auf den ersten Blick gesehen werden konnte. Die anderen Puppen hatte ich mit meinem Kreuz zerstört, jetzt hütete ich mich davor, es einzusetzen, weil diese Verbindung nicht reißen sollte.
Ich wartete einige Sekunden ab, weil ich wissen wollte, ob sich die Wärme veränderte. Es passierte nichts. Sie blieb gleich, aber sie war eine Botschaft, die mir jemand schickte, ohne näher mit uns in Kontakt treten zu können.
Ich hob den Blick und schaute Suko an. »Das kann nur dieser Voodoo-Meister gewesen sein.«
»Was sollte Calypso für einen Grund haben?«
»Weiß ich selbst nicht. Aber nenne mir einen anderen, der eine entsprechende Macht besitzt.«
»Wird schwer werden.«
»Eben.«
Die Wärme innerhalb des Puppenkörpers blieb noch für eine Weile. Vielleicht für die Dauer einer halben Minute. Dann kühlte der Holzkörper wieder ab und hatte sehr schnell seine alte Temperatur erreicht. Wir allerdings waren ebenso schlau wie zuvor.
Suko gab zu, daß es für ihn schwer war, diesen Calypso einzuordnen. »Da weiß ich nie, wo ich ihn hinstecken soll. Auf welcher Seite steht er nun? Auf unserer oder auf Bennys«
»Kein Problem«, sagte ich.
»Wieso?«
»Wir werden ihn fragen.«
Suko lächelte. »Darauf, Alter, habe ich nur gewartet…«
***
Da Amy Baker am Arm verletzt war, hatte sie dafür gesorgt, daß ihr junger Begleiter den roten Twingo fuhr, den sie in einer Lücke auf dem Hof abgestellt hatte. Um die Streifwunde hatte sie das Trikot fest verknotet und das Blut auch stoppen können.
»Du kennst den Weg?«
»Ja.«
»Dann will ich, daß du ihn ohne Umwege fährst.
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