Benson, Amber - Jenseits GmbH 1 - Lieber Tod als Teufel
Ahnung, wovon Monsieur D. sprach.
„Bitte, sei ein liebes Mädchen und hol mir etwas Wasser.“
Er tat mir ziemlich leid, wie er da im maisfarbenen Sand lag wie ein trauriger Sack Kartoffeln. Also stand ich auf und schaute mich um. Irgendwo musste es etwas geben, worin ich das Wasser transportieren konnte. Meine Hände wollte ich nicht benutzen, weil die Vorstellung, er würde sie mit den Lippen berühren, einfach zu abstoßend war.
Ich trat beinahe auf die Lösung, bevor ich sie sah. Halb begraben im Sand, nur wenige Zentimeter vom Wasser entfernt, lag ein kleiner Silberkelch. Ich hob ihn auf er sah aus wie genau auf meine Größe zugeschnitten – und wog ihn in der Hand. Das war kein versilberter Schnickschnack, sondern massives Edelmetall.
Ich fragte mich, wer dieses Ding mitten in der Wüste zurückgelassen hatte, damit Monsieur D. daraus trinken konnte.
Plötzlich fühlten meine Finger sich dort, wo sie den Becher berührten, eiskalt an. Das Muster aus ineinandergreifenden Ringen, mit dem er verziert war, brannte sich mir regelrecht in die Handfläche.
„Bitte, beeil dich!“, drängte Monsieur D. mit gequälter Stimme.
Nervös schaute ich mich zu ihm um und bemerkte ein seltsames Glitzern in seinen Augen. Etwas stimmte nicht an der ganzen Geschichte, obwohl ich das Gefühl nicht genau benennen konnte.
Doch mein Körper beachtete die Bedenken meines Verstandes nicht und trat unwillkürlich einen Schritt auf Monsieur D. zu. Ich war nicht auf den stechenden Schmerz vorbereitet, der mir durch den Arm, den Hals und direkt in den Kopf fuhr. Ein leises Keuchen entrang sich meinen Lippen, als brennende Pein mir die Eingeweide versengte. Mein Hirn brutzelte wie eine gemischte Grillplatte.
Ich ließ den Kelch fallen – mir war instinktiv klar, dass er die Schmerzen verursachte – und riss die Hände an den Kopf, der von einem erneuten Ansturm heimgesucht wurde. Doch im selben Moment, als der Becher meinen Fingern entglitt, verschwand auch der Schmerz.
Ich blickte auf. Von den Nachbeben des Anfalls brummte mir noch immer der Schädel, und ich sah, wie der Becher auf Monsieur D. zurollte, beinahe wie aus eigenem Antrieb. Wie hypnotisiert von der Bewegung des Kelches beobachtete ich, wie er langsam durch den Sand kroch, bis der Gefangene ihn beinahe mit der ausgestreckten Hand berühren konnte.
Der Gefangene.
Das Wort hallte in meinem Kopf wider und ließ einen neuen Gedanken keimen.
Monsieur D. war ein Gefangener. Und er sollte diesen Becher nicht in die Finger kriegen!
Ohne länger zu überlegen, rannte ich los. Ich trat fest mit dem linken Fuß auf, ließ den rechten vorschnellen und traf den glänzenden Silberkelch, der, nur Millimeter von Monsieur D.s ausgestreckten Fingern entfernt, durch die Luft flog.
Monsieur D. stieß das entsetzlichste Heulen aus, das ich je aus dem Mund eines menschlichen Wesens vernommen hatte. Es klang, als hätte man ihm die Seele aus dem Leib gerissen – was nach allem, was ich wusste, durchaus zutreffen mochte.
„Du dummes Miststück! Was hast du getan!?“
Noch immer auf den Knien, griff er nach meinem Fuß, doch ich brachte mich mit einem Satz nach hinten außer Reichweite. Jetzt schluchzte er, und dicke Krokodilstränen liefen ihm über die ausgedörrten Wangen. Er nahm eine Handvoll Sand und warf sie nach mir. Ich war so schockiert über ein solches Verhalten bei einem Erwachsenen, dass ich nur dastand und ihn mit offenem Mund anstarrte.
Monsieur D.s Angriffslust legte sich ebenso plötzlich, wie sie erwacht war. Seine Augen wandten sich ab und richteten sich auf etwas oder jemanden hinter mir. Ich schrie fast los, als eine schwere Hand mich an der Schulter packte und zurückriss.
„Callie“, sagte eine tiefe Stimme, die in meinen Ohren widerhallte.
Ich blickte auf, und mit einem Mal wich die Spannung aus meinem Körper, als ich das Gesicht meines Vaters erkannte. Er trug weiße Tenniskleidung, und ein Stirnband hielt die blonde Löwenmähne im Zaum, die sein gut aussehendes, markantes Gesicht einrahmte. Er sah besorgter aus, als ich ihn je zuvor gesehen hatte.
„Daddy!“ Ich schlang fest die Arme um ihn, überglücklich, ihn zu sehen.
„Wir müssen gehen, Callie“, sagte er und löste sanft meinen Griff, als trennte er eine Seepocke von einem Schiffsrumpf ab. „Zeit ist von höchster Bedeutung.“
Er nahm mich bei der Hand und zog mich mit sich, ohne Monsieur D. eines weiteren Blickes zu würdigen. Doch ich war stur. Ich wollte, dass er erfuhr, was
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