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Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse

Titel: Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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zeitig eingetroffenen Gäste. Alejandro war erfreut, neben dem freundlichen jungen Pagen zu sitzen, aber etwas unglücklich, als er feststellte, daß sich der überaus wißbegierige Nicholas Flamel an seiner anderen Seite befand.
    Doch bald waren alle zu abgelenkt, um ihre Tischgenossen zu bemerken; denn die dunkle junge Frau betrat den Speisesaal, dicht gefolgt von den Musikanten, die ihren sinnlichen Auftritt mit schnarrenden, orientalischen Weisen begleiteten. Die Frau wiegte sich zum dunklen Schlag der Trommeln; bei jedem Schritt nach vorn schob sie einladend eine Hüfte vor, die andere zurück, eine Pose, die de Chauliacs Gäste aufreizen sollte, was der Tänzerin mühelos gelang.
    Dann stellte sie zu Alejandros Überraschung einen bloßen Fuß auf einen der leeren Holzstühle und schwang sich flink auf die Tischplatte. Ihre Zehen waren mit goldenen und silbernen Ringen geschmückt, und sie trug weite Hosen aus dem dünnsten, durchsichtigsten Stoff, den Alejandro je erblickt hatte. Wie der Schleier einer Jungfrau! Aber dieser Vergleich war sicher unpassend.
    »Einmal sah ich eine Frau aus Rumänien für König Edward tanzen«, hatte Adele ihm erzählt. »Sie war über und über mit Gold- und Silberschmuck behängt, der klirrte, wenn sie sich bewegte, und ihre plumpen Brüste waren nur von goldenen Stoffkreisen verhüllt, die eine dünne Schnur im Rücken zusammenhielt.« Adele hatte in der Luft mit den Händen ihre Rundungen beschrieben, und seinerzeit schlug sein Herz schneller. »Dabei«, hatte Adele mit mädchenhaftem Kichern hinzugefügt, »bedeckte diese Tänzerin ihr Gesicht wie eine Nonne! Man konnte förmlich sehen, wie sich die Männlichkeit des Königs unter seiner Tunika aufrichtete.«
    »Und wie verhielt sich die Königin?« hatte er gefragt.
    »Sie hatte es arrangiert«, erwiderte seine Geliebte errötend. »Es war ein Geschenk zum Geburtstag ihres Gatten. Königliche Damen sind an so exotische Darbietungen gewöhnt. Jeder will der erste sein, der ihnen neue und aufregende Dinge zeigt, also bekommen sie dergleichen häufig zu sehen!«
    Weit häufiger als die Juden von Aragon, hatte er damals gedacht.
    Chaucer tippte ihm leicht auf den Arm. »Bei Hofe habe ich einmal eine Frau so tanzen sehen, aus Rumänien, glaube ich.« Alejandro fragte sich, ob der junge Mann seine Gedanken gelesen hatte.
    Und wie gerufen war die Dame auf einmal vor ihnen, die Knie leicht gebeugt, ihre dünn verhüllte Weiblichkeit weniger als eine Armlänge von ihren Gesichtern entfernt. Sie hob einen Fuß, wobei sie mit dem anderen mühelos das Gleichgewicht hielt, und berührte mit einer Zehe Alejandros Nasenspitze, während ihre Hüften sich in magischem Rhythmus wiegten. Er wurde blutrot, bevor ihr Fuß die Tischplatte wieder berührte. Im Raum wurden Jubel und Applaus laut, und aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie de Chauliac boshaft und befriedigt grinste. War diese sinnliche Demoiselle angewiesen, ihn besonders aufzureizen? Er hielt das für wahrscheinlich. Sie lächelte verführerisch, öffnete die Lippen und zeigte ihre rosige Zunge, sehr zum Vergnügen der versammelten Männer, die pfiffen, auf den Tisch schlugen und ihn aufforderten, ihre Herausforderung anzunehmen. Dann bückte sie sich und beugte sich nach vorn, wobei ihre Brüste ihm fast ins Gesicht sprangen.
    In einem Akt der Selbstverteidigung packte er den Pagen an seiner Seite und riß ihn hoch, bis das Gesicht des Jungen zwischen dem Busen der Frau verschwand. Ermutigungen, zweideutige Vorschläge und wildes Gelächter wurden laut. Die Musik raste, die Luft wurde heißer, das Stimmengewirr rauschte, und Chaucer hatte schon ein Knie auf dem Tisch, bereit, sich der buhlerischen Aufforderung der Frau zu stellen. Doch da verstummte der Lärm plötzlich. De Chauliac hatte sich erhoben und starrte zur Tür des Speisesaals. Die Augen aller folgten seinem Blick.
    Auch die letzten Gäste waren endlich eingetroffen. In der Tür, etwas atemlos von ihrem eiligen Marsch, standen Etienne Marcel und Guillaume Karle.

KAPITEL 16
    Janies Gedanken überschlugen sich, als Kristina sie mit Virtual Memorial allein ließ. Es kam ihr vor, als habe sie ein neues Haustier. Da gab es Dinge zu lernen, Eigenheiten zu entdecken; Janie war hellwach und lebendig, obwohl sie sonst um diese Zeit im allgemeinen müde wurde. In London mußte es jetzt ungefähr Mitternacht sein, zu spät, um Bruce anzurufen. Und sie konnte nicht sicher sein, ob die leise Gereiztheit aus ihrem letzten

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