Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
meines hohen Herren.«
»Heilmittel? Ach, nein, da gibt es keines, wie ich leider gestehen muß. Aber man kann Vorsichtsmaßnahmen treffen. Ich werde Euren Prinzen sehr bald wieder besuchen und die Ratschläge erneuern, die ich ihm bereits erteilte. Und die er, wie ich eilig hinzufügen möchte, unvorsichtigerweise ignoriert hat, um seinen Vergnügungen nachzugehen. Ihr müßt ihm bestellen, daß ich ihn zwar sehr gern habe, er aber ein ungehorsamer Patient ist; richtet ihm bitte meinen Unmut darüber aus. Und natürlich meine allerherzlichsten Wünsche für eine baldige Genesung von seiner Erkrankung.«
Der junge Mann nickte und sagte: »Die werde ich überbringen, mein Herr, unverzüglich!« Dann verneigte er sich und wandte sich zur Tür.
De Chauliac faßte ihn am Arm. »Aber für den lieben Prinzen ist an der Tafel ein Gedeck aufgelegt, das jetzt nicht benutzt wird. Bei so viel Not in der Welt würde Gott es mißbilligen, wenn es vergeudet wird.« Er musterte den Pagen einen Moment. »Ihr scheint ein freundlicher Mensch zu sein. Beehrt uns doch und nehmt den Platz Eures Herren ein.«
Bei diesem Angebot errötete Chaucer. »Aber er erwartet meine Rückkehr.«
»Dann wird er enttäuscht werden, wie ich es bin, weil meine Tafel seine Anwesenheit entbehren muß«, sagte de Chauliac. »Das scheint mir ein gerechter Ausgleich.«
»Ich verdiene es nicht, den Platz eines Prinzen einzunehmen, Herr! Daran kann kein Zweifel bestehen. Und was ist mit den Wachen, die mich hierher eskortiert haben? Sie haben Anweisung, mich sicher zurückzugeleiten.«
Aber de Chauliac ließ sich nicht beirren. Er legte einen Arm um die Schultern des jungen Mannes und sagte: »Wir werden ihnen gut zu essen geben, während sie warten. Ich werde mich persönlich darum kümmern, daß Lionel sich in dieser Sache nicht zu beklagen hat. Und nun sagt mir noch einmal Euren Namen, denn ich habe ihn schon wieder vergessen.«
»Geoffrey, Herr.«
»Habt Ihr auch einen Zunamen, junger Geoffrey?«
»Ja, Herr. Chaucer.«
»Aha!« erinnerte sich de Chauliac. »Ich habe Euren Namen in Lionels Haushalt gehört. Ihr habt einen Stein im Brett bei Eurem Prinzen, junger Chaucer – er spricht lobend von Euch! Er berichtete mir, daß Ihr ihn oft mit sehr phantasievollen Erzählungen unterhaltet. Auf englisch, sagt er. Ihr müßt in der Tat sehr klug sein.«
Dabei warf er einen vielsagenden, sarkastischen Blick in Alejandros Richtung.
»Sprecht Ihr Englisch, Herr?« fragte der Page aufgeregt.
Alejandro sah rasch zu de Chauliac hinüber, der sich an seinem Unbehagen weidete. Der Franzose machte keine Anstalten, das Thema zu wechseln, und so antwortete Alejandro: »Ein wenig.«
»Dann bin ich doppelt froh über Eure Bekanntschaft«, sprudelte Chaucer heraus und schüttelte Alejandro kräftig die Hand. Er verfiel ins Englische. »Ich habe niemanden, mit dem ich hier reden kann.«
Alejandro mühte sich aufrichtig, und die Worte fielen ihm wieder ein, hart und guttural. »Ein Leid, das ich selbst nur zu gut kenne.«
»Was ist Euch zugestoßen?«
Obwohl der Jude den jungen Mann von Minute zu Minute liebenswerter fand, zögerte er mit der Antwort. »Auf meinen Reisen bin ich ein oder zwei Engländern begegnet«, rückte er schließlich heraus. »Die Sprache hat sich meinen Ohren aufgedrängt, und ich habe etwas davon aufgeschnappt, wenn auch unwillentlich. Das ist eine etwas unerwünschte Begabung von mir.«
»Jeder scheint eine Meinung über unsere Sprache zu hegen. Sagt mir«, bat er, »wie lautet Eure?«
Das war ein gefährliches Terrain, aber würde dieser neugierige Chaucer die Verweigerung einer Antwort nicht verdächtiger finden als seine unwahrscheinlichen Kenntnisse des Englischen? Diese Gefahr bestand. »Ich finde sie schwierig«, sagte Alejandro zögernd, »und verwirrend. Sie ist anders als alle sonstigen Sprachen, die ich gelernt habe. Oft fehlen ihr Worte, um etwas angemessen auszudrücken.«
»Das wird sich mit der Zeit bessern«, stellte Chaucer in Aussicht.
Unwillkürlich mußte Alejandro lächeln. Zu schade, daß er kein Jude ist. Hoffentlich wußten die Mitglieder der englischen Königsfamilie ihn zu schätzen. »Habt Ihr, junger Freund, denn vor, sie ganz allein zu bereichern?«
»Wenn es sein muß«, sagte der junge Chaucer zuversichtlich.
Als alle Anwesenden Platz genommen hatten, waren an dem mächtigen Eichentisch noch zwei Sitze frei; de Chauliac übersah sie geflissentlich und kümmerte sich um die Bequemlichkeit seiner
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