Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
zu empfindlich.«
»Alles, was ich brauche, ist ein Fingerabdruck. Eine Träne. Irgendeine physische Spur.«
»Nein.« Das klang entschieden.
»Myra, bitte, ich muß Alejandro einfach identifizieren, und wenn ich einen Vergleich hätte …«
Plötzlich runzelte Myra die Stirn. Etwas abgehackt fragte sie:
»Moment mal – würde – ein Haar – genügen?«
»Ein Haar wäre perfekt, falls es sich um das richtige handelt. Ich muß bloß sehen, ob in beiden Büchern dieselbe Person in Erscheinung tritt. Dann weiß ich, daß er es ist. Daß er es sein muß.«
»Kommen Sie mit!«
Janie folgte ihr in den gleichen Raum, in dem sie vorher schon das Journal betrachtet hatten. Während sie an der Tür stehenblieb und wartete, ging Myra zu einem gekühlten Lagerbereich und hielt ihre Hand über den Sensor. Klickend öffnete sich die Tür. Myra drehte sich zu Janie um. »Es dauert nur einen Moment!«
Sie schloß die Tür hinter sich. Janie konnte nicht hören, was sie in dem Raum tat, denn die dicke Isolierung schluckte alle Geräusche. Aber wie angekündigt kam Myra bald wieder heraus. Die Tür schloß sich nahezu geräuschlos hinter ihr, und Janie hörte den Riegel einschnappen.
Myra hatte eine mittelgroße Plastiktüte mit einer Art Reißverschluß in der Hand, in der sich mehrere kleinere Tüten befanden, jede mit einem winzigen archäologischen Schatz. »All dieses Material haben wir gefunden, als wir Abrahams Manuskript bekamen.«
Janie sah mindestens ein Haar. Und es gab Papyrusstückchen, einige mit Flecken.
»Ich möchte sie wiederhaben«, bat Myra. »So intakt wie möglich.«
Hungrig musterte Janie die Tüte. »Natürlich«, versprach sie.
»Ich werde sehr vorsichtig sein.«
»Also, ich habe keine Ahnung, von wem diese Dinge stammen, aber etwas davon könnte von Ihrem Canches sein. Und jetzt haben Sie mich mit Ihrer Neugier angesteckt, also beeilen Sie sich mit Ihrer Arbeit. Ich will es unbedingt wissen.«
»Zwei«, sagte Michael.
»Zwei?«
»Zwei Personen tauchen in beiden Büchern auf. Aber eine ist in dem Journal nur schwach nachzuweisen.«
»Dann kann ich mich nicht darauf verlassen, welcher der entscheidende Faktor ist … Himmel, wie soll ich das feststellen?«
»Hast du irgendeine Idee, wie der Bursche ausgesehen hat?«
»In dem Journal wurde er von der Frau, die es nach ihm besaß, ein wenig beschrieben.«
»Warum steckst du die beiden Typen dann nicht in einen Imager? Schau sie dir an!«
Gerade wollte sie herausplatzen: Ich habe keinen Imager. Aber dann erinnerte sie sich – Virtual Memorial hatte einen.
»Überspiel sie mir«, forderte sie ihn daher auf.
Es war ein denkwürdiger Augenblick, den drei Personen miterlebten. Janie saß in dem von Tom geborgten Arbeitszimmer – jetzt vorübergehend eine Art Kreißsaal – und hielt Virtual Memorial auf dem Schoß. Kristina saß neben ihr, Tom sah ihr über die Schulter. Auf dem Bildschirm nahm langsam die erste von zwei menschlichen Figuren Gestalt an, während der Compiler klärte, verschärfte und definierte, wie der Träger des groben genetischen Codes seiner Vermutung nach ausgesehen haben könnte. Die Bilder, die daraus entstanden, würden nicht ganz scharf sein – dazu brauchte man einen kompletten Sequenzcode –, aber sie würden die allgemeinen Merkmale der »Probanden« zeigen.
»Glauben Sie, daß es genügen wird?« fragte Kristina.
»Das hoffe ich«, sagte Janie leise, während sie auf den Schirm starrte. »Wenn nicht, weiß ich nicht, wie wir weiter vorgehen sollen.«
»Und dann ist da noch die unerhebliche Frage, ob es das Teilstück, das wir brauchen, gibt oder nicht.«
Janie streckte die Hand aus und tätschelte Kristinas Arm. »Ich bemühe mich immer um positives Denken.«
Allmählich zeichnete sich das Gesicht des ersten Mannes undeutlich ab. Als sein nacktes Bild vollständig war, musterte sie es sorgfältig und mit einer Art Neugier, die sie selbst irritierte. Sie wollte die Arbeit, die sie vor sich hatte, kühl und klinisch angehen, statt dessen war sie nervös und aufgeregt, als solle sie einen lange verlorenen Bruder das erste Mal treffen. Wie weit bestand ihre Verwandtschaft überhaupt? Das ließ sich nicht sagen. Es würde sich einfach entfalten müssen.
Das soeben erschienene Bild zeigte einen Mann mit dunklem Teint und gut gebautem Körper. Seine Züge wirkten mediterran, was sie in Alejandros Fall erwartet hatte, aber da er unbekleidet, ohne Bart und unbeschnitten war, konnte sie einfach nicht mit
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