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Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse

Titel: Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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darauf verließen, daß ihr Sohn kommen und sie irgendwohin bringen würde, wo die Dinge besser standen. Er tat nur das, was am Ende jeder verantwortungsvolle Mann tun würde, wenn er gezwungen war, wieder den Gesetzen der Natur zu folgen, bei denen die oberste Priorität darin bestand, die persönlichen Gene weiterzugeben.
    Aber dennoch war es unverzeihlich. In ihrer Verwirrung schoß Janie eine Frage durch den Kopf: Besaß dieser Mann genügend adaptive Intelligenz, um zu erkennen, daß sie ihm den Kopf wegblasen würde, damit Caroline ihre Gene weitergeben konnte? Würde er aus biologischem Selbsterhaltungstrieb verschwinden, da er die Lebensbedrohung begriff? In den wenigen Sekunden, in denen sie sich wie festgefroren anstarrten, war das nicht zu erkennen. Auf irgendeiner Stadtstraße hätte Janie ihn für einen Büroangestellten, einen Zeitungsreporter, jemandes Nachbarn gehalten. Aber hier und jetzt sah sie in seinen Augen das gänzlich unkontrollierbare Raubtier.
    Seine Augen weiteten sich noch mehr, als er mit der Axt ausholte. Für den Bruchteil eines Moments sah Janie eine junge, dunkelhaarige Myra Ross vor sich, die ihre Waffe auf das Gesicht eines turbantragenden Feindes richtete, der sie töten würde, wenn sie nicht die Chuzpe aufbrachte, ihn zuerst umzubringen.
    Sie drückte ab.
    Was von der zersplitterten Scheibe noch übrig war, flog heraus, und der Mann taumelte rückwärts in die Nacht. Sobald sie sah, daß er am Boden lag, schaute Janie wieder in den Spiegel und erblickte Michael, der aus dem Wald geeilt kam, das sich wehrende Kind unterm Arm. Schließlich riß das kleine Mädchen sich los und verschwand in der Nacht. Michael kam auf das Auto zugerannt. Janie öffnete die Verriegelung, und sobald Michael im Wagen saß, fuhr sie mit quietschenden Reifen los, wobei ein Regen von Sand und Kieseln auf den gestürzten Mann niederging.
    Caroline schluchzte, und Janie zitterte heftig, als sie den ächzenden Wagen auf eine Geschwindigkeit trieb, die zu erreichen sie nie mehr für möglich gehalten hatte. Michael schaute durch das Rückfenster nach hinten und brüllte Obszönitäten in die Finsternis, die Faust wütend geballt. Als die Entfernung von der am Straßenrand liegenden Gestalt zunahm, wurde Janie klar, daß sie, Ärztin und Heilerin, nicht einmal daran gedacht hatte, auszusteigen und nachzusehen, ob sie irgend etwas für den Kerl tun konnte. Diese Erkenntnis weckte sofortige, tiefe Scham in ihr.
    Die Waffe, um ein Projektil ärmer, lag auf dem Boden direkt unter Janies Sitz, leicht erreichbar, und dort würde sie bleiben, bis sie ihre selektive Wirkung nicht mehr benötigte.

    Ihre Ankunft im Lager hatte nichts Vorsichtiges oder Ruhiges, obwohl es weit nach Mitternacht war, als sie endlich an der Außenglocke läuteten. Tom wartete vor dem Hauptgebäude. Er öffnete das Tor weit und schlug es wieder fest zu, als der Wagen durch war, ohne Rücksicht auf den Lärm, den das verursachte. Während Caroline und Michael erstaunt zusahen, eilten er und Janie im Hof aufeinander zu und stürzten sich in eine fast taumelnde Umarmung.
    »Die Waffe«, weinte sie, »o Tom, diese Waffe, Gott sei Dank, daß du sie mir gegeben hast – aber ich habe auf einen Mann geschossen, und vielleicht ist er tot …«
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte er, während er sie umfaßt hielt, »bitte, Janie, du kannst dir keine Vorwürfe …«
    Überrascht fuhr sie zurück. »Du weißt? Wie kannst du das wissen – es war erst vor einer Stunde.«
    »V. M.«, gestand er, »er hat einen Sender.«
    Natürlich. Das war vollkommen einleuchtend. Und es bedeutete ihr nichts mehr. Sie war schon zu gebrochen, als daß sich in ihrem Herzen noch Empörung hätte ausbreiten können. »Ich habe nicht mal versucht, ihm zu helfen, Tom, er liegt einfach noch dort …«
    »Hör auf«, beschwichtigte er. »Glaubst du, du bist die einzige, die so etwas durchmacht? Es gibt Millionen solcher Geschichten. Du mußt es draußen lassen, es gehört nicht hierher.«
    Wild klammerte sie sich an ihn. Als sie sich endlich voneinander lösten, flüsterte Janie so leise, daß nur er sie hören konnte: »Es gibt ein Problem. Ich brauche Kristina.«
    Auf seinen fragenden Blick antwortete sie: »Glaub mir, Tom!«
    »Dann werde ich sie holen.« Er wies mit dem Kopf auf Michael und Caroline. »Aber warum führst du sie nicht ins Haus, und wir werden …«
    »Nein«, unterbrach sie schnell. »Noch nicht.«
    Sein bohrender Blick war anklagend: »Janie – besteht

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