BENUTZT: Psychothriller
dann fragte Mike: »Hat dieses Spiel eigentlich schon begonnen?«
»Nein, laut dem Countdown auf der Website, fängt er heute Mittag um 12 Uhr an!«, antwortete Peter, worauf Mike beim Stichwort Webseite, gleich die nächste Frage stellte: »Und was ist mit diesem Firmengelände, von wo die Seite eingespeist wird?«
Diesmal konnte Karl, der mit allen Abteilungen in engem Kontakt stand, die Frage beantworten: »Auch nichts! Sie haben die Bude auf den Kopf gestellt, aber nichts gefunden. Unsere Fachleute sind allerdings der Meinung, dass, wenn dieser Typ ein gutes Verschleierungsprogramm benutzt, uns nur vorgemacht wird, der Server wäre dort. Die einzige Möglichkeit dies sicher festzustellen, wäre den Strom abzuschalten, aber das könnte zur Folge haben, dass dieser Döring durchdreht und die Frauen umbringt.«
»Na toll!«, stellte Mike frustriert fest. »Also haben wir so gut wie nichts, und wenn Döring sich nicht zeigt, werden wir ihn nicht kriegen.«
»Und was wollt ihr jetzt machen?« Karl sah seine Leute selbst etwas ratlos an.
»Wir werden uns mit der Familie von Nummer Eins, dieser Sabrina Cricic, unterhalten. Die müssten ja eigentlich wissen, was damals in der Behörde vorgefallen ist.« Mike blickte in die reaktionslosen Gesichter von Karl und Peter und sagte dann fast schon entschuldigend: »Ich weiß, dass uns das vermutlich auch nicht näher an den Tatort bringt, aber diese Ungereimtheiten bezüglich der Richterin bringen uns vielleicht näher an das Motiv des Täters. Sollte es zu einer Verhandlung kommen, haben wir wenigstens genug Hintergrundwissen!«
Karl dachte über das gerade Gehörte nach und stimmte dann zu. Anschließen ging er zurück in sein Büro, und seine beiden Kommissare machten sich auf den Weg zu Familie Cricic.
–27–
Irgendwann hörte auch die Letzte der drei Frauen auf zu schreien. Ihre trockenen Hälse schmerzten und der Hunger erzeugte eine Übelkeit, die sie bisher nicht gekannt hatten. Keine von ihnen hatte auch nur eine ungefähre Ahnung, welche Tageszeit gerade war, nur anhand ihrer Müdigkeit glaubten sie, dass es später Abend sein könnte.
Selbst Sabrina, die sich in der Vergangenheit nur selbst gespürt hatte, wenn ihr andere wehgetan hatten oder sie wieder einmal die Rasierklinge gegen sich selbst benutzte, die hinter der Tapete in ihrem Zimmer steckte, begann zu spüren, wie sich ihre Sinne veränderten. Durch die fast permanente Dunkelheit glaubte sie inzwischen besser hören zu können, und auch ihr Tastsinn war auf eigenartige Weise sensibler geworden. Schmerzen hatten ihr früher nur gezeigt, dass sie noch am Leben war, jetzt aber verspürte sie Angst. Was sie aber am meisten erschreckte, war, dass sie sich die Frage nicht beantworten konnte, ob es gut oder schlecht war, dass sie dies alles fühlte. Auf der einen Seite kam sie sich lebendiger vor, als die ganzen letzten Jahre, und doch bedeutete es gleichzeitig verletzlich zu sein. Noch vor drei Tagen hätte dieser Wodan alles mit ihr machen können, es wäre ihr schlichtweg egal gewesen. Selbst wenn er sie umgebracht hätte, wäre nur die Hülle um einen bereits toten Kern gestorben. Doch die Ironie des Schicksals wollte anscheinend, dass sie genau hier, in einer Situation die kaum schlimmer sein konnte, den göttlichen Funken in sich erkannte.
Nach ihrem letzten wütenden Schrei in Richtung der schweren Stahltür hatte sie sich auf ihre Liege zurückgezogen, den Kopf auf ihre angezogenen Knie gelegt und etwas in sich selbst erkannt, das schon so lange nicht mehr da gewesen ist. Etwas, das sie inzwischen schlicht vergessen hatte. Wie die Schale einer überreifen Nuss brachen sich Gefühle Bahn, die beschämend und befreiend gleichermaßen waren. Dankbar für die vorherrschende Dunkelheit, ließ sie es zu. Erst war es nur ein fühlbarer Schleier vor ihren Augen, dann endlich bildeten sich Tränen. Tränen, die mehr als nur salziges Wasser aus ihr beförderten, denn jede Einzelne von ihnen trug ein Stückchen der harten Schale mit sich, die bisher ihre Seele eingeschlossen hatte. Wie man ohne auch nur einen Laut von sich zu geben weinte, hatte sie früh lernen müssen und soweit, es herauszuschreien war sie noch nicht!
Kassandra hatte sich ebenfalls zurückgezogen und versuchte ein wenig zu schlafen, doch auch ihr Gedankenkarussell drehte sich viel zu schnell. Anders als bei Nummer Eins, begann sich bei ihr ein Panzer zu bilden. Ihre feine, viel zu verletzbare Seele schien Stück für Stück abzustumpfen.
Weitere Kostenlose Bücher