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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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behauptete, sie bilde sich etwas nur ein. Anders als Tara, die sofort so komplizierte psychologische Zusammenhänge entwarf, dass einem ganz schwindelig wurde. Anders als Diana, die jedes Mal, wenn Gillian klagte, nur beteuerte, wie glücklich sie mit ihren eigenen pflegeleichten Töchtern war.
    Zum ersten Mal hatte Gillian den Eindruck, dass ihr jemand wirklich geholfen hatte.
    »Sie verstehen eine Menge von Kindern«, meinte sie.
    »Ich verstehe etwas von Sport. Und man erfährt viel über Menschen, die man in Ausübung eines Mannschaftssports beobachtet. Egal, ob Kinder, Jugendliche oder Erwachsene. Im Grunde verhalten sie sich alle dabei wie im richtigen Leben.«
    Sie sah ihn interessiert an. »Stimmt es eigentlich, dass Sie bei Scotland Yard waren?«
    Sein Gesicht verschloss sich. »Ja.«
    Es war klar, dass er über seinen Beruf und vor allem über die Umstände, die zu seinem Ausstieg geführt hatten, nicht reden würde. Daher gab Gillian dem Thema eine andere Richtung. »Was sagen Sie zu diesem schrecklichen Verbrechen? Das an der älteren Frau in Hackney?«
    »Ich kann wenig dazu sagen. Ich weiß nicht mehr als das, was in den Zeitungen steht.«
    »Aber Sie hatten mit so etwas beruflich zu tun.«
    »Ja. Aber ich kann diesen Fall nicht beurteilen. Die Polizei lässt nichts darüber verlauten, wie das Opfer umgebracht wurde. Vermutlich also auf eine ungewöhnliche Weise, die man bewusst zurückhält, um es bei der Überführung des Täters leichter zu haben. Ich habe nur gelesen, dass sie weder beraubt noch vergewaltigt wurde. Es ging also nicht um Geld, und es ging, zumindest vordergründig, nicht um Sex.«
    »Vordergründig?«
    »Sollte sie auf eine besonders sadistische Art getötet worden sein, könnten sexuelle Motive eine Rolle gespielt haben.«
    »Glauben Sie, dass es wieder passieren wird? Dass es ein nächstes Opfer gibt?«
    »Möglich. Es ist ja nicht klar, worin das Motiv besteht. Vielleicht war es ein persönliches Problem zwischen Täter und Opfer, aber auch dann ist ein Mensch, der so etwas anrichtet, natürlich eine tickende Zeitbombe. Denn es ist zweifellos nicht der übliche Weg, Zerwürfnisse oder Streitigkeiten zu bereinigen.«
    »Es macht einem Angst«, sagte Gillian. »Immer, wenn ich solche Dinge lese, denke ich, es ist ein Wunder, wenn man halbwegs unbeschadet durchs Leben kommt.«
    »Es wird sich aufklären. Die meisten Verbrechen werden irgendwann aufgeklärt.«
    »Aber nicht alle.«
    »Nicht alle«, gab er zu.
    Sie wagte einen Vorstoß. »Sind Sie deshalb weggegangen? Von der Polizei, meine ich? Weil es unerträglich war, pausenlos mit schrecklichster Gewalt konfrontiert zu werden und hinterher nicht immer für Gerechtigkeit sorgen zu können?«
    Wieder bekam sein Gesicht den verschlossenen Ausdruck. »Es gab eine Menge Gründe«, sagte er ausweichend, dann trank er sein Glas leer und blickte auf die Uhr. »Ich fürchte, wir müssen in den Club zurück. Nicht, dass es mich allzu sehr dorthin zieht, aber wenn die merken, dass wir beide fehlen, kommen sie noch auf dumme Gedanken.«
    Ihr wurde klar, dass sie ihn anstarrte. Nicht einfach nur anschaute, wie man einen Gesprächspartner anschaut, sondern sich fast an ihm festsaugte. Die vielen Menschen ringsum, die Geräuschkulisse schienen in den Hintergrund getreten; sie waren noch da, aber etwas hatte sich wie eine dünne Wand zwischen Gillian und John und den Rest der Welt geschoben.
    Es muss am Schnaps liegen, dachte sie, ich wusste ja, es ist zu viel.
    »Welche Gedanken denn?«, fragte sie und erschrak selbst im nächsten Augenblick über den herausfordernden Klang in ihrer Stimme. Es war nicht ihre Art zu flirten. Sie tat das nicht, und sie hatte es nie getan. Sie fand, dass man zu leicht dümmlich dabei wirkte.
    »Ich denke, das wissen Sie«, sagte John und stand auf. Er war auf ihren Ton nicht eingegangen, und sie hatte das deutliche Gefühl, dass er verärgert war. Zumindest genervt. Vielleicht empfand er sie als plump. Vielleicht war sie ihm auch zu nahegetreten, als sie ihn nach seinem früheren Beruf gefragt hatte. Auf jeden Fall gab es die Wand nicht mehr, die Wand, die sie beide für kurze Zeit ganz allein hatte sein lassen. Sie waren wieder Teil der überfüllten Kneipe, der gedrängt stehenden Menschen, der unzähligen Stimmen; Teil des Gelächters, des Gläserklirrens, des Geruches nach Alkohol, Schweiß und feuchten Mänteln.
    Als sie hinausdrängten, kamen sie dicht an dem Tisch vorbei, an dem der Mann aus Gillians Straße

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