Beraubt: Roman
Formalität.«
Quinn hielt sich an einem steinernen Engel fest. In den betenden Händen des Himmelswesens hatten sich blassgrüne Flechten gesammelt. Quinn war verloren und schaute sich vergeblich nach Sadie um, in der törichten Hoffnung, sie könnte ihn irgendwie retten wie am ersten Tag seiner Rückkehr.
Aber in diesem Moment drehte sich Mrs. Porteous um und wandte sich an Robert Dalton. »Ein Glück, dass Sie neulich Abend da waren, nicht wahr, Konstabler?« Manche Frauen wurden von der Trauer zugrunde gerichtet, doch anderen, wie dieser Mrs. Porteous, verlieh ihre immerwährende Gesellschaft Autorität.
Sein Onkel sah sie an und ließ sein Notizheft fallen. »Was? Wie bitte?«
»Bei Mrs. Higgins. Neulich Abend. Evelyn Higgins.«
Robert zuckte zusammen. »Ah. Ja.«
Sie wandte sich wieder Quinn zu, die Brauen in gespieltem Erstaunen hochgezogen. »Mr. Dalton – Konstabler Dalton, sollte ich sagen – kam vor ein paar Tagen zufällig abends am Haus einer gewissen Witwe vorbei, als die arme Frau den Geist ihres verstorbenen Mannes sah, der in Europa gefallen ist. Zu ziemlich später Stunde. Im Haus . Die Frau unterhielt sich sogar mit ihm, bis es Mr. Dalton gelang, ihn zu verscheuchen.«
Robert senkte das Kinn und murmelte irgendwas vor sich hin.
»Also, Evelyn war sich sicher, dass es Dick war. Sie hat gesagt, der Geist sah genauso aus wie er, in Uniform und allem. Glauben Sie an so etwas, Mr. Wakefield? Geister und dergleichen?
»Ich weiß nicht genau, Ma’am.«
Robert versuchte, seine Autorität wieder geltend zu machen. »Da war kein Mann. Die Leute sehen manchmal, was sie gern sehen würden. Es war die Tochter der Foxes, dieses Waisenmädchen, nach dem ich suche. Ich hab ganz deutlich gesehen, wie sie über den Rasen lief. Direkt über den Rasen. Hab sogar ein losgetretenes Stück Gras gefunden. Ich wage zu behaupten, dass kein Geist so was könnte. Hat auch Dicks Revolver gestohlen. Ob Sie’s glauben oder nicht, das Mädchen ist jetzt bewaffnet. Sie muss eine Armeejacke angehabt haben; die haben wir am Zaun gefunden, und wahrscheinlich war die arme Evelyn deshalb ganz verwirrt.«
»Was um Himmels willen könnte ein Mädchen mit einem Revolver vorhaben?«, fragte Mrs. Porteous.
»Wer weiß? Aber die Kleine ist ziemlich raffiniert. Wenn ich sie doch nur erwischen würde. Vor ein paar Wochen hätte es fast geklappt. Beinahe hätte mich eine Schlange gebissen.« Er hielt sein bandagiertes Handgelenk hoch. »Ich bin kein guter Fährtenleser, aber morgen früh kommt Jim Gracie aus Bathurst zurück, und für ein paar Shilling kann der jeden aufspüren. Besonders jetzt, wo wir die Jacke haben, die sie getragen hat. Er hat auch diesen Wynne erwischt, der seine Frau erschossen hat. Bis morgen Nachmittag haben wir das Mädchen, gar keine Frage. Wir werden uns um sie kümmern.«
Quinn zuckte zusammen. Bis morgen Nachmittag .
»Um sie kümmern?«, fragte Mrs. Porteous.
Robert hustete. »Sie hat hier keine Angehörigen mehr. Ich bringe sie in ein Waisenhaus.«
»Ja, ich bin mir ganz sicher, dass Sie sich um sie kümmern.«
Sein Onkel runzelte die Stirn. »Was soll das denn heißen?«
Mrs. Porteous und der Konstabler starrten sich einen Augenblick an, dann wandte sie sich ab und deutete auf die umliegende Landschaft. »Ein Glück, dass Sie da waren, Sir, um sich um die armen Witwen und Waisenkinder von Flint zu kümmern. Wer weiß, was wir in den letzten paar Jahren ohne Sie angefangen hätten. Wahrscheinlich wären wir verloren gewesen.«
Robert hielt kurz inne, bevor er zu antworten wagte. »Ja, bevor Sie eintrafen, habe ich gerade zu Mr. Wakefield gesagt …«
»Das spielt keine Rolle«, fauchte sie und ging zu Quinn hinüber. Das Misstrauen der Witwe gegen ihn schien sich wie durch ein Wunder zerstreut zu haben.
Robert hatte sein Notizheft aufgehoben und wollte fortfahren.
»Vielleicht haben Sie ihn gekannt?«, fragte sie Quinn. »Sergeant Porteous. Reg haben sie ihn genannt. Reginald Porteous. Er war ziemlich groß, ungefähr wie Sie. Blond, blaue Augen. Breite Schultern. 13 . Bataillon, 4 . Brigade. Er war auf Gallipoli. Ägypten, dann Gallipoli. Das hat mir das Militär in einem Brief mitgeteilt. Ein Captain Sowieso hat mir den Brief geschickt. Captain Murray vielleicht. Wir haben zwei Töchter, die überlebt haben. Dieser Captain hat geschrieben, dass er erschossen wurde und dort begraben liegt. In Bullecourt. Irgendwann werden wir das Grab natürlich besuchen. Ich fahre mit den beiden
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