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Beraubt: Roman

Beraubt: Roman

Titel: Beraubt: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Womersley Chris , Thomas Gunkel
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betrachtete: Schneckenhäuser, ein mit rotem Bindfaden umwickelter Stein, Barthaare, die sie ihm abgeschnitten hatte, sein abgebrochener Zahn, ein Ohrring.
    »Wenn du das am Körper trägst, wittern dich die Hunde nicht«, versicherte sie ihm, während sie ihm den Weg beschrieb. »Dann weiß er bei seiner Rückkehr nicht, dass du da bist. Folge dem Feldweg am Willow Creek vorbei. Mr. Gracie wohnt in einer Steinhütte auf der Kuppe über dem alten Chinese Village. Du kannst sie nicht verfehlen. Ich warte hier auf dich.«
    »Kommst du zurecht?«
    Mit den Zähnen durchtrennte sie einen Wollfaden. »Na klar.«
    »Versteck dich unter den Dielen.«
    »Ich hab ja noch mein Messer.«
    »Versteck dich unter dem Fußboden. Falls Robert hier raufkommt.«
    »Allein findet der mich nie.«
    Er packte sie am Arm. »Bitte.«
    Sie schüttelte ihn ab. »Na gut. Mach ich.«
    »Ehrenwort?«
    »Ehrenwort.«
    Quinn mochte ihre Ernsthaftigkeit, die von jemand viel Älterem abgeschaut zu sein schien. »Ich kann mich noch an deine Geburt erinnern«, sagte er. »Du warst so klein, dass du ausgesehen hast wie … ein in Decken gehülltes Insekt. Die Augen geschlossen. Der Fußboden und das Bett waren natürlich voller Blut. Der säuerliche Geruch der Geburt. Mutter hatte heftige Wehen. Weißt du, dass wir einen Bruder hatten, der gestorben ist? Noch vor meiner Geburt. Aber an dem Abend, an dem du kamst, standen William und ich draußen auf der Veranda und lauschten Mutters tierischen Schreien. Wir durften nicht ins Haus. Vater ging auf und ab. Später fuhr der Arzt in seinem Einspänner weg, und du hast lauter gebrüllt, als man es einem Baby zugetraut hätte. Die ganze Nacht lang. Mutter hatte alles versucht, aber am Morgen hab ich dich vom Bett hochgenommen, und du hast sofort aufgehört. In meinen Armen. Und dann hast du die Augen aufgeschlagen und mich angesehen, als hätte ich dich vor irgendwas gerettet. Die meisten Leute können sich nicht mehr an die Zeit erinnern, als sie vier waren, aber ich kann es. Daran werde ich mich immer erinnern.«
    Sadie hatte die ganze Wolle um seinen ramponierten Körper gewickelt. Sie starrte ihn an, als wollte sie etwas erwidern, überlegte es sich dann aber anders. Sie strich sich einen Haarbalken aus dem Gesicht. Dann kramte sie in ihrem Schatzkästchen und ergriff, immer noch kniend, Quinns Hand. Über einen seiner Finger streifte sie einen großen Ring. »Der wird dir auch helfen. Gold ist das Beste. Das Gold für diesen Ring wurde wahrscheinlich in diesen Hügeln abgebaut. Und jetzt geh. Es wird bald dunkel.«
    Mit beiden Händen fegte sie die Reste ihrer geheimen Schätze zusammen – ihre Talismane und ihren Flitterkram, ihre Schmuckstücke und ihre Wolle – und stopfte alles wieder in ihre Tabaksdose.
    Quinn hielt die Hand hoch, um den Ring zu bewundern. Beide sie waren von Gold, dachte er, und in goldene Kleider gehüllet, beide schön in den Waffen und groß, wie unsterbliche Götter . »Wo hast du den her?«
    Doch sie war schon davongeschlüpft. Von nebenan hörte er das hohle Poltern, als sie die kaputten Dielen über ihrem Versteck einfügte. Er kontrollierte seinen Revolver und machte sich auf den Weg.
    Als er in Sichtweite von Jim Gracies Steinhäuschen kam, begann ein heißer Wind zu wehen. Am Fuß eines flachen Anstiegs, der zu dem Haus hinaufführte, stand er im Weizengras, das im Licht der Abenddämmerung golden leuchtete. Es war hüfthoch und wogte wie Seide im Wind. Er lüftete den Hut, um sich die Stirn abzuwischen. Ihm war übel, und er war von dem Gefühl besessen, dass er sich mit einer leichten Willensanstrengung wie eine Feder auf dem späten Nordwind davontragen lassen könnte. Wenn es doch nur so wäre.
    Nach einer Weile spürte er ein Schaudern, als würde die Erde beben, doch schon bald begriff er, dass es in Wirklichkeit in seinem eigenen Körper steckte, an den Eingeweiden entlang und tief in den Knien. Seine Hand begann zu zittern, dann sein ganzer Arm. Also Angst. Bloß menschliche Angst. Das war eine Empfindung, die er aus seinen Kriegsjahren kannte, so vertraut wie das Dröhnen der Sechzigpfünder und der Gestank von Schlamm.
    Er spürte die Wollfäden unter seinem schmutzigen Hemd und das lederne Phylakterion, das an seine Rippen stieß. Er fühlte sich von diesen kindlichen Talismanen einigermaßen geschützt; es bestand kein Zweifel, dass Sadie seltsame Dinge über die Welt wusste.
    Davon ermutigt, stieg er den Hügel hinauf, schlüpfte zwischen den Latten des

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