Bereue - Psychothriller (German Edition)
würde. „Ein schönes Leben noch.“
Benommen verließ er die Wohnung, hinausgespült von ihrem Gekeife, doch er achtete nicht mehr auf ihre Worte. Ohne noch einmal zu ihr nach oben zu sehen, setzte er sich in seinen Wagen und zog die Tür zu. Stille umgab ihn. Er lehnte sich zurück und schloss die Augen. Irgendetwas ging da vor in seinem Leben und er verstand nicht, was. Noch nie zuvor war Claudia derart zickig gewesen. Eine ihrer Stärken, die er zu schätzen gewusst hatte. Daumen und Zeigefinger auf die Augenwinkel gepresst, versuchte er das Gespräch zu rekapitulieren. Eine ominöse Frau namens Maria hatte sie angerufen und behauptet, er gehöre ihr. Dieses bescheuerte Weib musste sich in der Nummer geirrt haben. Und im Mann.
Genervt startete er den Motor. Scheiß drauf, Weiber waren alle Zicken. Ohne war er besser dran. Jawoll.
Trotz allem Zureden legte sich der Aufruhr in seinem Inneren nicht. Wenn er Claudia auch nicht arg vermissen würde, so kratzte diese Abfuhr doch an seinem Ego.
Dem zeitungslesenden Mann in dem alten Corsa auf der anderen Straßenseite schenkte er keine weitere Beachtung.
Die letzten Sonnenstrahlen waren der Nacht gewichen, als Ben den Wagen in seiner Doppelgarage parkte. Kein Lucky begrüßte ihn. Seine Gedanken sprangen zu dem Grab im hinteren Garten.
Er sah ihn vor sich, diesen wundervollen Hund, den er als Welpe auf einem Rastplatz gefunden hatte. Auf der Rückfahrt von einem G eschäftstermin hatte er das Tier in den Fußraum auf der Beifahrerseite gesetzt und sich vom Navi zum nächsten Tierheim lotsen lassen. Die traurigen Blicke waren jeder seiner Bewegungen gefolgt. Bis zur Pforte des Tierheims hatte er sich gewehrt. Keine Zeit für ein Haustier, bloß keine Verantwortung für ein Mitgeschöpf übernehmen. Wie ein Mantra hatte er sich das wieder und wieder gesagt. Doch diese Augen hatten ihn schon vom ersten Moment an gefangen genommen. So war der Hund geblieben.
Entgegen seiner Gewohnheit hatte er zwei Wochen Urlaub genommen, um Zeit für das tollpatschige Fellknäuel zu haben. Lucky. Drei Jahre lang war er sein treuer Begleiter und eine der wenigen Konstanten in seinem Leben gewesen. Nun war er tot, ermordet, enthauptet.
Was für eine Scheiße passierte da.
Er schleppte sich in die Küche und riss den amerikanischen Kühlschrank auf. Wenigstens war noch Bier da. Das Zischen des Kronkorkens beruhigte seine Nerven ein wenig. Er nahm einen tiefen Schluck und fischte sein iPhone aus der Hosentasche. Das ewige Gebimmel hatte ihn am Nachmittag so genervt, dass er es ausgeschaltet hatte. Er überflog die Anrufliste und die SMS’. Er hatte heute Geburtstag, fiel ihm wieder ein. „Na dann herzlichen Glückwunsch“, brummte er in die Stille.
Sogar sein Vater hatte gesimst. Er rief die Nachricht auf. „Deine Mutter erwartet dich morgen Nachmittag um drei.“ Liebevoll wie immer, der alte Biller.
Er trank das Bier leer und nahm sich die nächste Flasche. In den Küchenschränken und –schubladen stöberte er nach Zigaretten. Tatsächlich fand er die fast leere Schachtel Gauloises. Die Glut flammte auf, als er sie ansteckte. Qualmwolken durch das Haus ziehend ging er auf die Terrasse. Er setzte sich auf die Holzstufen, die zum Garten hinunterführten, und trank von seinem Bier. In der Ferne brummte der Verkehr, aus den Nachbarhäusern drang das abendliche Fernsehprogramm zu ihm herüber. Grillen zirpten, eine Amsel schimpfte. Das Kinn in die Hände gestützt starrte er in die Dunkelheit. Für Lucky hatte er ein Haus mit großem Garten gekauft, damit er sich tagsüber austoben konnte, wenn er selbst in der Arbeit war. Er sollte dieses viel zu große Haus mit dem nutzlos gewordenen Garten verkaufen. Wozu brauchte er hundertsechzig Quadratmeter Wohnfläche? Er lebte auf vierzig, das reichte ihm. Eine kleine Küche, eine Couch, ein Bett. Platz für einen Schrank und ein Badezimmer. Mit einem innigen Schluck Bier spülte er die Umzugspläne hinunter. Das war jetzt nicht wichtig.
Wichtig war, was da mit seinem Leben passierte.
Alles hatte mit dieser vermaledeiten schwarzen Katze angefangen. Und war da heute Mittag nicht ein merkwürdiger Brief gewesen? Er sprang auf und lief zur Papiertonne. Im Schein der Straßenlaterne fand er die zusammengeknüllte Nachricht. Er tauchte seinen Arm in die Tonne und zog sie heraus.
Herzlichen Glückwunsch! Heute beginnt für Dich nicht nur ein neues Lebensjahr, sondern auch ein neues Leben. Du wirst erkennen, was Du getan hast. Bereue
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