Bereue - Psychothriller (German Edition)
Richard hatte ihm das Teil geschenkt.
Wenigstens hatte es Bens kleiner Bruder auch nicht leichter, die Anerkennung des Vaters zu bekommen. Niemand war in Konrad Billers Augen erfolgreich, der nicht mindestens eine Million im Jahr verdiente. Biller senior hatte das mit Ende dreißig erreicht, und das als mittelloser Sohn von Heimatvertriebenen aus Ostpreußen. Bis zu einem leichten Herzinfarkt vor vier Jahren hatte er den internationalen Handels-Konzern, den er über Jahrzehnte aufgebaut hatte, mit eiserner Hand geführt.
Dass Ben es mit achtunddreißig zumindest brutto bis zur Vierte lmillion geschafft hatte und regelmäßig in der Fachpresse für seine innovativen Vermarktungs-Strategien gelobt wurde, reichte nicht. Bei Weitem nicht.
„Nun sei doch nicht so, Konrad.“ Bens Mutter tätschelte ihrem Mann den Arm. „Richard liebt seine Arbeit.“ Sie lächelte Ben an. „Ich habe neue Karten. Wenn du magst, kann ich sie dir legen. Vielleicht findest du bald die Richtige.“
Die Gedankensprünge seiner Mutter sollte er gewöhnt sein. Doch oft konnte er ihr nicht folgen. Seine Gedanken kreisten verwirrt um ihre Tarotkarten. Wozu sollte er die richtige Karte finden? Sollte er sich die an die Stirn tackern? Seit vielen Jahren schwamm seine Mutter auf der Esoterikwelle, aber verständlicher wurde sie dadurch nicht. „Wovon redest du?“
Lachend griff sie nach dem Wasserglas, in dem mit Sicherheit kein Wasser war, und trank. „Die Karten können dir zeigen, ob du bald die Frau fürs Leben findest. Es wird langsam Zeit für dich, wenn du noch eine Familie gründen willst.“
Die Frau fürs Leben, eine Familie. Diese Themen hatte er längst abgehakt. So was gab es nicht, nicht für ihn. Gequält lächelte er, doch zu einer Antwort kam er nicht.
Biller senior warf seine Kuchengabel auf den Teller. „Dein Sohn soll endlich erwachsen werden und nicht hinter dem Hirngespinst von einer Märchenprinzessin herrennen.“ Der Blick der fast schwarzen Augen wanderte zu Ben und ruhte auf seinem Gesicht mit einer Intensität, dass die Haut juckte. „Such dir eine Frau aus gutem Hause, eine die weiß, was sich gehört. Eine die du herzeigen kannst. Das wirst du doch wohl schaffen. Und wenn du sie bescheißt, dann wenigstens so, dass keiner was merkt.“
Ben blinzelte. Das war die Essenz der Ehe seiner Eltern, aber dass sein Vater das in Gegenwart seiner Mutter so deutlich aussprechen würde, schockierte ihn. Er schielte zu seiner Mutter hinüber. Sie trank einen kräftigen Schluck aus dem Wasserglas. Ihr Blick ging ins Leere.
Warum sie immer noch bei ihm blieb, war ihm unerklärlich. Nicht nur dass er sie seit Jahrzehnten immer wieder betrog, er behandelte sie so respektvoll wie eine Kanalratte. Schon in seiner Kindheit hatte sie sich in ihre Fantasiewelt zurückgezogen, die mal bevölkert war von Erzengeln und kurz darauf von irgendwelchen Gurus in Amerika, deren Bücher sie verschlang. Vermutlich hatte sie nie gelernt, ein eigenständiges Leben zu führen.
Er legte seine Hand auf ihre. „Ich würde mich freuen, wenn du mir die Karten legst.“
Sein Vater knurrte abfällig. Ein weiteres dickes Minus auf der Vater-Sohn-Rechnung. Biller senior stürzte seinen Rest Kaffee hinunter und stand auf. „Ich sehe nach der Börse“, verabschiedete er sich.
Am Sonntag?
„Ich hole die Karten, ja?“ Und weg war auch seine Mutter.
Ben schob den Teller mit dem halbgegessenen Kuchen fort und trank den Kaffee aus. Die Beine unter dem Tisch ausgestreckt beobachtete er die Haushälterin Fanny, die mit erstaunlicher Unauffälligkeit den Tisch abräumte. Ihr Rücken war krumm, Arthritis verkrümmte ihre Hände. Sie war im Rentenalter, trotzdem erledigte sie ihre Arbeit mit einer Hingabe, die Ben nicht nachvollziehen konnte. Wie konnte man Freude daran haben, den Dreck anderer Leute wegzuräumen.
Kaum war Fanny mit dem Tablett verschwunden, segelte seine Mutter heran und winkte mit ihrem Kartenset. „Sie nur, die Bilder sind so ausdrucksvoll, viel schöner als meine alten. Man erkennt sofort, was eine Karte bedeutet.“
Dabei wusste sie genau, welche Karte was bedeutete. Schweigend verfolgte Ben, wie sie die Karten fächerartig mit dem Rücken nach oben auf dem Tisch ausbreitete. Da hatte er sich was eingebrockt.
„Du musst drei Karten ziehen. Die erste steht für die Vergangenheit, die zweite für die Gegenwart und die dritte für die Zukunft.“
Seine Vergangenheit kannte er, auch seine Gegenwart. Was sollte das. Doch er wollte
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