Bereue - Psychothriller (German Edition)
sie nicht verstimmen und zog gehorsam drei Karten aus der Reihe.
Sie deckte die erste Karte auf und schürzte die Lippen. „Der Magier. Er steht dafür, dass man die materielle Seite des Lebens beherrscht, dass man seinen Willen durchsetzt.“
Er nickte nachdenklich. Das passte perfekt auf die letzten fünf bis zehn Jahre seines Lebens. Zufall.
Die zweite Karte zeigte ein grimmiges Mondgesicht, davor ein nacktes Männchen auf einem weißen Pferd. Was sollte das nun wieder.
„Der Mond.“ Sie runzelte die Stirn und trank aus ihrem Glas. Mit dem Zeigefinger fuhr sie über die Karte.
Ben beugte sich vor. „Was bedeutet das?“
„Das ist nicht so einfach. Der Mond steht dafür, dass der Schein trügt. Alles hat verborgene Hintergründe. Es bestehen Verbindungen zwischen Menschen, von denen du nichts weißt.“ Sie sah ihn fragend an.
Er schüttelte den Kopf. Was sollte das heißen. „Erklär mir das.“
Abwehrend hob sie die Hände. „Das kannst nur du selbst. Ich bin das Medium.“
Verborgene Hintergründe, mysteriöse Verbindungen zwischen Menschen. So ein Quark. „Mach weiter“, brummte er.
Sie deckte die dritte Karte auf. Es war ein Gerippe mit einer Sense, gehüllt in einen schwarzen Mantel. „Der Tod!“, rief er erschrocken. Das waren ja tolle Aussichten. Scheiß Esoterik.
Sie legte ihm eine kühle Hand auf den Arm. „Keine Angst. Die Karte steht nicht für den physischen Tod.“
Wie beruhigend.
„Es bedeutet, dass du dich von der Vergangenheit freimachen musst. Du musst Gewesenes akzeptieren und Neues beginnen.“ Sie strahlte ihn an. „Entlasse das Negative aus deinem Leben, um Platz für Besseres zu schaffen.“
Den Kopf auf die Hände gestützt, reflektierte er seinen Status quo. Lucky hatte er aus seinem Leben entlassen müssen. Doch was sollte da Besseres nachkommen. Oder meinten die Karten seine Arbeit? Oder Claudia? Warum dachte er überhaupt darüber nach, das war doch alles Kokolores.
„Benjamin.“
Mit einem Seufzen sah er auf.
„Wegen Lucky. Er war ein guter Hund. Er hat dir gut getan. Vielleicht steht seine Hütte auf einer Wasserader. Ich kann mit der Wünschelrute drüber gehen.“
Er starrte sie an. Wovon redete sie da? Schnitten Wasseradern unschuldigen Hunden die Köpfe ab? Er presste sich eine Faust an die Stirn. Ruhig bleiben. „Danke. Ist schon okay.“
Auf dem Rückweg von seinen Eltern fuhr Ben bei der Bank vorbei. Er hatte gerne reichlich Bargeld bei sich, Plastikgeld vertraute er nicht wirklich.
Die stickige Luft in dem engen Vorraum raubte ihm für einen Moment den Atem. Um flache Atmung bemüht, spürte er schon, wie seine Haut feucht wurde. Konnten die keine Klimaanlage einbauen?
Genervt schob er die Karte in den Schlitz des Automaten. Wie immer fragte die Maschine nach seinem PIN. Wie immer tippte er die vier Ziffern ein.
Sekundenlang passierte nichts. Dann erschien auf dem kleinen Monitor der Hinweis: Ihre Karte wird eingezogen und der Vorgang abgebrochen. Bitte wenden Sie sich an Ihren Kundenberater.
Fassungslos starrte er auf den Text. Er blinzelte, rieb sich die Augen. Das war jetzt nicht real. Sein Zeigefinger knallte auf die Abbruch-Taste. Auf die Eingabe-Taste. Nichts passierte. „Das kann doch nicht wahr sein!“, schrie er und schlug mit der Faust auf den Monitor. Der Text verschwand und es erschien der Startbildschirm. „Scheiß Kasten! Gib meine Karte her!“ Er trat gegen den Automaten. Außer dass sein Fuß schmerzte, änderte sich nichts.
Morgen würde er sich den Filialleiter vorknöpfen und nicht irgendeinen Kundenberater. Der konnte was erleben. Was für eine Unverschämtheit.
„Probleme?“
Ben wirbelte herum. Den Typen hinter sich hatte er nicht in den Vorraum der Bank kommen hören. Käsiges Gesicht, labbrige Klamotten, die Augen von einem Baseballcap beschattet. Irgend so ein langweiliger Loser.
„Nicht im Geringsten“, zischte er und marschierte an dem Kerl vorbei auf die Straße.
6
Außerhalb seines Wagens tobte das allmorgendliche Leben. Amseln zeterten ihr Morgengebet von den Bäumen, Autofahrer hupten sich ihren Frust vom Leib, Bäcker spuckten in den Semmelteig und Tankste llenbetreiber erhöhten den Spritpreis.
Ein normaler Montagmorgen. Nicht für ihn. Lucky fehlte ihm mehr als er gedacht hatte. Lucky hatte ihn nicht belogen, nie an seiner Krawatte gezupft oder sich über sein Vokabular mokiert. Doch Lucky war tot, hingerichtet von einem Monster.
Er rollte auf die nächste bunte Blechschlange zu und
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