Bereue - Psychothriller (German Edition)
werden.”
Gespielt schlug sie sich eine Hand auf den Mund. “Herrje. Du hast recht.”
“Hast du nichts von deinem Power-Lover hier oder von deinem Intellektuellen?”
Sie wandte sich ab und schüttelte den Kopf. “Mir kommt kein Mann ins Haus.”
“Was bin ich dann?”
Schmunzelnd drehte sie sich um und musterte ihn mit einem Blick, der seine Haut zum Glühen brachte. “Ich besorg dir was. Geh jetzt, das Bad ist oben links. Im Schrank sind Pflaster, papp dir eins auf die Stirn, damit du nicht so rumkleckerst. Dort findest du auch Tropfen gegen die Schmerzen. Novoaminsulfon. Nimm vierzig davon.”
Ergeben tappte er aus der Küche und hievte sich die Treppe nach oben. Wenigstens hatten diese Dreckskerle seine Beine verschont. Ein paar Tritte hatten seine Oberschenkel getroffen, aber das war nichts im Vergleich zum Rest.
Aus dem Spiegel über dem Waschbecken starrte ihm ein fremder Mann entgegen. Blutverschmiert, die linke Gesichtshälfte verschwollen. Bis vor ein paar Stunden hatte er noch gedacht, es könnte nicht mehr schlimmer kommen. Wenn es nicht so schmerzhaft wäre, hätte er über seine eigene Dummheit gelacht.
Tatsächlich fand er im Badschrank eine braune Glasflasche mit Novoaminsulfon. Er tropfte es sich direkt in den Mund und spülte den bitteren Geschmack mit Leitungswasser von seiner Zunge. Hoffentlich half das Zeug. Auch die versprochenen Pflaster fand er. Mit den Fingernägeln kratzte er das blutverkrustete Taschentuch von seiner Stirn und wischte das getrocknete Blut von der Haut. Sofort quoll frisches aus der Wunde. Er pappte ein quadratisches Pflaster darüber.
Vorsichtig schälte er sich aus seinen stinkenden Klamotten und warf sie auf den Boden. Hoffentlich trieb Annelie was für ihn auf, das Zeug taugte nur noch für die Mülltonne. Blutverschmiert, durchgeschwitzt, schmutzstarrend und zerrissen.
Der Blick an sich herab offenbarte nichts Überraschendes. Blaurote Flecken, geschwollenes Gewebe. Eine offene Schürfwunde an seiner Brust, vermutlich von einem Stiefelabsatz. Und er stank jämmerlich.
In diesem Moment klopfte es an der Tür. “Ben?”
Annelie! Er hatte nicht abgesperrt. Hoffentlich kam sie nicht herein und sah ihn in seiner ganzen Erbärmlichkeit. “Ja?”
“Ich leg dir die Sachen vor die Tür.”
“Danke! Wo hast du sie her?”
“Von Martin.”
War der auch einer ihrer Kerle?
“Er ist einfach nur ein hilfsbereiter Nachbar, okay?”, beantwortete sie seine stumme Frage.
“Ich hoffe, er will sie nicht so bald zurück.”
Ihr Lachen drang durch die Tür. “Keine Angst. Er hat noch was zum Wechseln.”
Erst als er ihre Schritte auf der Treppe hörte, öffnete er die Tür und griff nach dem Stapel Wäsche. Es war alles da, eine Bluejeans, ein weißes Hemd. Selbst an Unterhose und Socken hatte sie gedacht. Die Sachen könnten ihm sogar passen.
Mit spitzen Fingern, um nichts schmutzig zu machen, legte er das Paket auf den Klodeckel und kletterte in die Dusche. Das kühle Wasser beruhigte das Brennen seiner Haut und dämpfte die Schmerzen. Die Watte in seinem Kopf löste sich auf. Als er fröstelte, stellte er das Wasser wärmer. Die Schmerzen loderten wieder auf. Dann halt nicht.
Der Geruch von Waschmittel hing noch in den Kleidern, als er sie anzog. Die Jeans war zu weit, dafür die Ärmel des Hemdes zu kurz. Er zog den Gürtel aus seiner Hose und zog ihn durch die Schlaufen der Jeans. So würde sie ihm nicht vom Hintern rutschen. Die Hemdsärmel krempelte er hoch.
Auf Socken tapste er die Treppe hinunter. Annelie fand er im Wohnzimmer auf einer schwarzen Ledercouch, ein Glas Wein in der Hand. Sie trug immer noch das blaue Sommerkleid, das so aufregend mit ihrer hellen Haut harmonierte und den schwarzen Haaren, die sie mit tlerweile zu einem Zopf zusammengebunden hatte.
Langsam stellte sie das Glas auf den Couchtisch, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Dieser intensive Blick raubte ihm den gerade erst wiedergefundenen gleichmäßigen Atem. “Schon besser. Setz dich.” Sie klopfte neben sich auf das Polster.
Die Schmerzen waren nicht mehr so schneidend, als er sich niederließ. Die Tropfen wirkten. “Sag deinem Nachbarn vielen Dank von mir. Die Sachen passen einigermaßen.”
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, so fein, dass er es mehr erahnte. “Gut.” Sie hob eine schwarze Tasche auf den Tisch und öffnete sie. Diverse Spritzen, Werkzeuge, Pflaster, Verbände, Tuben, Tablettenblister warteten auf ihren Einsatz. “Dann wollen wir mal
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