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Bereue - Psychothriller (German Edition)

Bereue - Psychothriller (German Edition)

Titel: Bereue - Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Fink
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sehen.” Sie packte sein Kinn und drehte seinen Kopf so, dass sie seine Stirn begutachten konnte. Mit einem Ruck riss sie das Pflaster herunter.
    “Autsch!” Warum hatte er es eben erst drauf gepappt, wenn sie es wieder herunterzog?
    “Hast du Aids oder Hepatitis?”, fragte sie.
    Was sollte das nun wieder. “Nein! Herrgott, wofür hältst du mich?”
    Sie zuckte die Achseln. “War nur eine Frage.” Mit einer Kompresse drückte sie auf seiner Stirn herum. Nicht jammern jetzt, zwang er sich. Trotz des Schmerzmittels drängten dumpfe Schmerzen in seinen Schädel.
    “Drück die Kompresse drauf. Das muss ich nähen, sonst heilt das ewig nicht”, murmelte sie und kramte in ihrer Tasche. Mit einer feinen Zange führte sie eine dieser gebogenen Nadeln mit Faden an seine Stirn. “Ich hoffe, die Tropfen wirken schon. Ich hab keine Betäubungsspritze mehr.”
    “Wird schon gehen”, murmelte er.
    Die Nadel bohrte sich in seine Haut. “Kneif die Augen nicht so zusammen, sonst geht das nicht”, schalt sie ihn.
    Atmen, sagte er sich. Entspannen. “Besser?”
    Sie brummte und nähte weiter an seinem Kopf herum. Er kam sich vor wie ein kaputtes Stofftier, das geflickt werden musste.
    Endlich war sie fertig und desinfizierte alles. Das Brennen drang nur gedämpft in sein Bewusstsein. “Fast wie neu”, kommentierte sie ihr Werk. Mit dem Finger fuhr sie die alte Narbe nach, die seine linke Augenbraue teilte und unter dem Auge weiter lief. “Seit wann hast du die?”
    “Seit zwanzig Jahren.”
    “Was ist passiert?”
    “Ich bin mit dem Auto gegen einen Baum gefahren.” Dass er statt der Straße nur Annelie vor seinen tränennassen Augen gehabt hatte, erzählte er ihr nicht. “Blöd gelaufen.”
    Sie nickte abwesend. “Dann schau ich mir mal deine Rippen an.” Langsam knöpfte sie sein Hemd von oben nach unten auf. “Das sieht übel aus.” Ihre Hand glitt von seinem Hals hinunter über seine Brust. Sein Körper reagierte sensibel wie ein Geigerzähler auf diese unschuldige Berührung. Nicht jetzt, bitte.
    Sie kicherte.
    “Was ist?”, knurrte er. Hatte sie es bemerkt?
    “Du riechst so blumig”, lachte sie. “Wie eine Frühlingswiese.”
    “Ich habe leider kein herb-männliches Duschgel gefunden”, brummte er. “Was ist eigentlich mit deinen Eltern? Das ist doch ihr Haus, oder?”
    Mit dem Desinfektionszeug traktierte sie die Schürfwunde auf seiner Brust. “Die sind nach La Palma ausgewandert, haben dort eine Finca gekauft und vermieten Fremdenzimmer. Ich bin hier zur Miete. Kostet mich weniger als ein Einzimmerappartment.”
    “Ausgewandert? Wow. Geht es ihnen gut?”
    “Und wie! Sie wollen immer, dass ich zu ihnen komme. Meine Mutter meint, sie könnten jede Hilfe gebrauchen.”
    “Aber?”
    “Keine Ahnung. Das Wetter dort ist Klasse, die Arbeit angenehm, die Leute nett. Vielleicht versuche ich es mal.”
    Bleib hier, flehte er stumm. “Warum arbeitest du nicht mehr als Ärztin?”
    Sie legte die blutige Kompresse beiseite und schnitt eine neue zurecht, die sie auf der Wunde platzierte. Mit zwei Streifen Leukoplast fixierte sie sie. “Ich hab einen Fehler gemacht. Ein Mensch ist gestorben. Ein Kind.” Ihre Hände sanken auf ihren Schoß. “Die Klinik hat mir untersagt, den Fehler zuzugeben. Sie haben es ihrer Versicherung übergeben. Als ich mich dagegen gewehrt habe, meinten sie, ich könnte gehen, wenn ich damit nicht klarkomme.” Hilflos hob sie die Hände und ließ sie wieder fallen. “Das habe ich gemacht.”
    Ihr sonst so lebhafter Blick ruhte auf ihren Händen, die den Stoff ihres Kleides kneteten. Sie kam nicht damit zurecht.
    Vorsichtig legte er ihr eine Hand auf den Arm. “Es ehrt dich, dass du dazu stehen wolltest. Was ist denn passiert?”
    Den Blick auf seine Hand gerichtet begann sie leise zu erzählen. Ein sechsjähriger Junge hatte die klassischen Grippesymptome gezeigt. Sie hatte ihn entsprechend behandelt. Auch als es immer schlimmer wurde, kam sie nicht auf die Idee, die Eltern zu fragen, ob sie im Ausland gewesen waren. Der Junge starb am Denguefieber. Er war in Thailand von einer infizierten Mücke gestochen worden.
    Tränen glitzerten in ihren Augenwinkeln. “Es war nur eine Frage. Diese eine Frage hätte ihm das Leben retten können. Im Tropeninstitut hätten sie ihn behandeln können.”
    Er drückte sanft ihre Hand, sie entzog sie ihm nicht. “Die Eltern hätten es dir sagen müssen.”
    Sie blickte auf, ihr Blick flackerte. “Sollte ich ihnen das vorwerfen?

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