Bereue - Psychothriller (German Edition)
behalten.” Sie lächelte.
Er zog sie so fest an sich, dass ihre Herzen gegeneinander schlugen. “Spürst du, wie sich unsere Herzen verbinden, wie sie im selben Rhythmus schlagen? Sie sind wie eins.”
Sie schlang ihm die Arme um den Hals. “Wir sind eins”, flüsterte sie ihm ins Ohr und drückte ihren Unterleib gegen seinen. Die Hitze flutete durch seinen Körper und wölbte sich ihr entgegen.
54
Seine Uhr piepte. Es war fünf vor sechs. Er schaltete die Weckfunktion aus und stellte die Sitzlehne des Corsas wieder aufrecht. Geschlafen hatte er nicht. Zu viele Gedanken waren durch seinen Kopf geschossen.
Langsam ging er zur alten Metzgerei zurück. Schon oft hatte er Nächte durchwacht, bisher war er dabei am Computer gesessen. Eine Nacht wie diese hatte er noch nie erlebt. Zwei Menschen durfte er leiten, sie zu ihrem Schöpfer führen, auf dass sie seine Gnade finden würden. Nur Gott konnte ihnen vergeben. Der Weg zur Erlösung war steinig und hart, voller Schmerz.
Ben Biller war die Unausweichlichkeit inzwischen klar, nur bei Annelie hatte er Zweifel. Hoffentlich hatte diese Schlange Ben Biller nicht von seinem Entschluss abgebracht. Dann würde er ihr wehtun müssen. Noch nie hatte er einem anderen Menschen wehgetan. Doch. Als er Ben Biller niedergeschlagen hatte. Aber das war Notwehr gewesen. Das zählte nicht.
Er wusste, dass es Sünde war, Lust dabei zu empfinden, wenn man einem anderen wehtat. Doch er wusste auch, dass es so sein würde. Morgen würde er dafür Buße tun.
Was er im Schein der Petroleumlampe sah, als er die Treppe herunter kam und um die Ecke bog, ließ sein Herz kurz aussetzen.
Das Seil mit dem Galgenknoten lag mitten im Raum. Ben Biller lebte. Er saß auf dem Holzstuhl, den gefesselten Fuß an der gespannten Kette nach hinten gezogen. Annelie lag in seinen Armen, den Kopf an seiner Schulter. Sie schien zu schlafen.
Die Wut schoss wie eine Flutwelle durch seinen Körper, straffte jeden Muskel.
Seine Sohlen knallten über die Fliesen, die Wände warfen den Schall zurück. Mit einem ekelhaften Knirschen schleifte das eine Ende des Eisenrohrs über den Boden, holperte bei jeder Fuge.
Schweigend sahen sie ihm beide entgegen. Annelies Augen funkelten ihn wie die einer Katze an. Ausdruckslos, abwartend.
Sie wusste, was jetzt kam, was kommen musste. Doch Ben Biller hielt sie fest umklammert, ließ sie nicht aufstehen. “Wenn du mich tot sehen willst, musst du mich schon eigenhändig umbringen”, zischte er.
Unbelehrbar.
Stumm nickte Jakob Annelie zu.
Sie erwiderte trotzig seinen Blick, bereit, ihre Züchtigung anzunehmen.
“Und lass deine dreckigen Pfoten von ihr!” Ohne Annelie loszulassen, starrte Ben Biller ihn an.
“Ist schon gut, Ben.” Sie versuchte, seine Arme wegzuschieben.
“Nein! Verdammt, Annelie. Wenn er was von dir will, muss er erst an mir vorbei.”
“Lass mich los!” Sie stemmte ihre kleinen Fäuste gegen seine Brust.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht stöhnte er auf und packte ihre U nterarme. “Das wirst du nicht tun”, keuchte er.
“Wir haben keine Wahl!”, schrie sie und wand sich in seiner U mklammerung.
“Hör auf!” Seine flache Hand klatschte auf ihre Wange. Ihr Kopf flog zur Seite, die Haare hinterher.
Ihre Gegenwehr erstarb, langsam drehte sie ihm den Kopf wieder zu.
“Oh mein Gott!” Er strich ihr die Haare aus dem Gesicht. “Es tut mir leid. Es tut mir so leid, Annelie.”
Schweigend stand sie auf, er hinderte sie nicht mehr daran.
Er sprang auf, der Stuhl kippte nach hinten um. “Annelie!”
Ohne Ben Biller zu beachten, ging sie in ihre Ecke und verschränkte die Arme.
Jakob warf ihr den Schlüssel für das Vorhängeschloss vor die Füße.
Sie bückte sich, führte den Schlüssel ins Loch. Mit einem Klicken sprang der Bügel auf. Sie zog ihn aus den Kettengliedern. Rostrote Flecken blieben an ihrem Hosenbein zurück.
“Umdrehen”, befahl er.
Sie stellte sich mit dem Gesicht an die Wand, die Handflächen dagegen gestützt.
55
Fassungslos starrte Ben den beiden nach. Er war überzeugt gewesen, Annelie würde Jakob treten, schlagen. Sich wehren. Doch sie hatte sich von ihm widerstandslos die Hände auf den Rücken drehen lassen. Mit einer Hand hatte er ihre Handgelenke umschlossen und schob sie jetzt vor sich her in Richtung Treppe.
Die zitternden Hände zu Fäusten geballt stand er da und konnte nichts tun. Er hatte sie verloren. Endgültig.
Wieder hatte er sie geschlagen. Er war nicht besser als sein
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