Bereue - Psychothriller (German Edition)
Stimme.
“Das ist nicht der wahre Grund.” Er schwieg einige Momente. „Die Wahrheit ist”, seine Stimme wurde immer leiser. “Ich hatte Angst, du würdest mich auslachen.“
„Was?“ Sie verstand nicht, was er meinte.
„Ich hatte noch keine Erfahrung und wollte nicht dastehen wie ein unbeholfener Trottel. Und es sollte doch etwas Besonderes sein, unser erstes Mal.“
Sie riss die Augen in der Dunkelheit auf. Da war wieder der Anblick, wie er auf Melanie lag. Schwitzend und stöhnend stieß er in sie hinein. Sie kniff die Lider zusammen und drängte die Tränen zurück. „Willst du damit sagen, du hast mit ihr geübt? Was für eine Drecksau bist du eigentlich.“
„Ich weiß, dass du das nicht verstehen kannst. Das kann ich doch auch nicht mehr. Herrgott, ich war siebzehn.” Er seufzte. “Ich wollte nicht, dass du davon erfährst. Sie hätte genauso gut eine Gummipuppe sein können. Aber ich hatte ja keine.“
Was erzählte er ihr da für einen Scheiß. “Das ist nicht wahr. Du und keine Erfahrung. Dass ich nicht lache. Alle Mädchen sind dir nachgelaufen wie heißblütige Stuten.”
“Das heißt nicht, dass ich eins der Angebote auch angenommen habe. Annelie, ich weiß, dass sich das blöd anhört, aber ich habe auf die Richtige gewartet. Das war nicht cool, aber es war so.” Er stockte. “Ich habe auf dich gewartet.”
Konnte sie das glauben? “Ein Romantiker, was?”
Er lachte auf. “Sieht so aus.”
Sie erinnerte sich zurück an die kurze Zeit, in der sie glücklich gewesen waren. Sie sah ihn wieder vor sich, wie er sie mit verbundenen Augen zum nächtlichen Pausenhof führte. Von hinten hatte er den Seidenschal von ihrem Gesicht gelöst. Staunend blinzelte sie a ngesichts der Szenerie. Die Schaukel, auf der sie gesessen hatte, als er sie angesprochen hatte, war von zig flackernden Kerzen umgeben. Er setzte sich darauf und zog sie auf seinen Schoß. Im warmen Kerzenschein küssten sie sich, während die Schaukel sie dem Himmel entgegen trieb.
Ja, er war ein Romantiker. Sie kämpfte gegen die Tränen und verlor.
Seine Hand tastete von ihrer Schulter zu ihrem Gesicht. Sanft wie der Flügel eines Schmetterlings strich sein Finger über ihre feuchte Wange. „Wenn du mir nur vergeben könntest.“
Schluchzend drückte sie sich die Fäuste auf die Augen. Dafür war es zu spät. Für Liebe, für Romantik, für Verzeihen. „Du wirst sterben, bald!“
Seine Hand verschwand. „Dann sterbe ich als glücklicher Mann.“
„Es würde dich glücklich machen, wenn ich dir vergeben würde?“
„Ich musste erst alles verlieren, um zu erkennen, was wirklich wichtig ist.“
„Was denn?“
„Die Liebe”, flüsterte er. “Du. Wir. Hast du es nicht auch gespürt, dieses Gefühl, zusammen ein Ganzes zu sein?“
Natürlich hatte sie das. Die Trennung hatte sich wie eine Amputation angefühlt. Und er war schuld daran. “Du hast nur ans Vögeln gedacht.”
“Du hasst mich immer noch.”
Er verstand sie einfach nicht. “Es geht nicht um Hass. Es geht um Liebe.” Sie hörte nichts mehr. Nicht einmal mehr seinen Atem. Nur noch das Gekrabbel.
Dann ein Schluchzen. “Du liebst mich?” Seine Stimme knickte ein wie die eines Zwölfjährigen im Stimmbruch.
50
Seine Brust brannte, der schmerzhafte Druck war wieder da. Atmen, befahl er sich. Herz, schlage. Gleichmäßig.
Warum sagte sie nichts mehr? Warum antwortete sie nicht. Er musste es wissen. Er musste die Antwort auf diese eine Frage hören. “Annelie, du bist der einzige Mensch, der mir je etwas bedeutet hat.” Er lauschte. Keine Reaktion. “Auch wenn du mir das nur schwer glauben kannst, ich bin einsam, war es all die Jahre.” Er hörte nur dieses ekelhafte Schaben und Kratzen von tausenden Insekten in der Du nkelheit. Von Annelie hörte er nichts. Er redete sich um Kopf und Kragen. Aber was sollte es.
Den Blick in die undurchdringliche Schwärze gerichtet stellte er sich dem, was sein Leben war. “Als ich ein Junge war, da hatte ich ein Ritual. Jeden Abend ging ich mit geschlossenen Augen in mein Zimmer. Weil ich hoffte, dass da jemand für mich da ist, wenn ich sie aufmache.” Er stockte. Die ganze Wahrheit. “Und so ist es bis heute.” Nie hatte er jemandem davon erzählt, und er hatte es auch nie erzählen wollen.
“Aber deine Eltern, waren die nicht für dich da?”, fragte sie so leise, dass er es kaum verstand.
“Meine Mutter hat sich so lange ich denken kann in Fantasiewelten geflüchtet. Sie hat Geister
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