Berge Meere und Giganten (German Edition)
entfernt von dieser Maschine stand aber eine zweite, die er nicht erkannte.
Plötzlich, aufrecht über den gefrorenen Lehmboden schleifend, fühlte sich der lange unerbittliche Mensch an den Beinen gehindert, seine Knie zurückgedrängt, die Füße auf den Boden gedrückt. Weiter drängte er vor, schob sich an, suchte, sich drehend mit der Flanke durchzubrechen. Dann ablassend, machte er einen Ruck, um sich loszureißen und loszuprallen oder zu entweichen. Er fühlte sich federnd, dann starrer pressender festgehalten. Er senkte den Kopf, trieb keilte das Knie abwärts. Das gelang. Gesicht und Hals glühten und schwollen ihm unter der Anstrengung auf. Und langsam langsam konnte er das eine Knie krümmen. Konnte langsam langsam, als wollte er schweben und fliegen, den Arm vom Rumpf abspreizen. Er arbeitete wie gegen Stein. Das andere Knie krümmte er, um sich auf den Boden herunterzulassen. An der Brust war er festgehalten. War oben so eng gewaltig verklammert, daß er ringend dagegen die Füße vom Boden abhob, beide Füße vom Boden abzog. Quer gedreht erblickte er sie unten und ächzte; quer hingen seine Füße unten handbreit über dem harten Lehm. Ein Schuh hing über der Erde, vom Fuß abgezogen; er stand deutlich sichtbar in der Luft, auf der Spitze, unter dem nackten weißen Fuß, unter leicht spielenden Zehen. Marduk schwebte. Er sackte langsam abwärts. Und wie er sich auch mühte durch Stunden zähen Wühlens Schlagens Stemmens, er drückte seinen Rumpf nicht auf die Erde herunter.
Vornüber mit Hals und Rumpf schwebte er über dem Boden wie im Sturz, nach dem Boden drängend, den er nicht erreichte. Die Arme, gekrümmt erlahmend erschlaffend, lagen wie auf Kissen, und doch fest wie zwischen Zangen. Nicht die Finger der flach hingestreckten Hände vermochte er zu krümmen. Und als er sich im Beginn neuen Anringens wütend um sich selbst werfen wollte, hielt er unter schrecklichem Schmerz inne. Er suchte auf seine linke Hand zu blicken. Von da, da kam der brennende heulende Schmerz. Die Finger, er sah sie, standen unnatürlich gestreckt, nach oben abgebogen über dem Handrücken, so wie sie vorher gestanden hatten. Sie waren gebrochen umgeknickt. Leise stöhnte Marduk.
Er rang mit seinen Augenlidern. Die Hornhäute vertrockneten ihm, die Lider, die Lider waren nicht zu schließen. Oh sie schließen können. Er hielt seinen Rumpf still, er kämpfte nur mit diesen kleinen Muskeln, den Lidern. Millimeter um Millimeter drückte er sie herunter, bis nur noch ein Spalt da war. Jetzt, das Glück, er sah nichts mehr.
Hinter seiner Stirn taumelten Gedanken: »Sie, sie, sie haben mich. Zimbo hat mich. Ich bin verloren. Die Verbrecher haben mich. Alles war umsonst.« Heißer wütender namenloser Schmerz über ihn. Hinter den blinkenden Streifen des Spiegelschutzes erzitterte sein blau anlaufendes, dick hochschwellendes Gesicht. Die Lidspalten füllten sich mit Tränen. Der Brustkorb, der Hals suchte zu schluchzen. Aber nur ein Heulen Röcheln kam durch die gepreßten Zähne. Elina war gestorben. Warum war er nicht mit ihr zur Seite gegangen, nach Westen, nach Süden, und lebte mit ihr. Warum wollte er nicht mit ihr leben. Die süße Elina war hingegangen, für nichts, ins Dunkle Leere, und er ging nach. Jonathan, auch der war gestorben.
Die Gedanken schwollen wirr hinter seiner Stirn. Ein wachsender Wald war da, Pferde mit gefangenen Frauen an einem Strick; man schleifte sie durch die Luft herunter, an dem endlos langen Strick, über Feldspuren.
Mühsam zog er Luft ein. Der Spiegelschutz scharrte gegen seine Kehle. Er wollte ihn abreißen. Rüttelte, zuckte gegen seine schon toten Hände, konnte nicht zu ihnen hinfinden. Wollte seinen schwarzen Hauptmann, Angelelli, rufen. Die Zunge rührte sich nicht.
Eingeschlossen eingespannt in einen Sarg war er.
Er weinte bewußtlos immer wilder um Elina. Durcheinander stürzten über einen Wasserfall, ein Rad, seine Gedanken. Das Rathaus Schnee-Ebenen Pferde. Und immer wieder Elina.
Sein Mund lutschte. Er sog, wärmer summend brummend knurrend schnalzend an etwas, das man ihm in den Mund steckte. Elina steckte ihm etwas in den Mund, gab ihm zu trinken. Er sog schnarchte im Schlaf.
In tiefster Betäubung der hängende, langsam abgleitende Körper, als auch der Brustkorb sich nicht mehr erweitern konnte, im Innern das Herz seine Schläge verlangsamte.
Es war Nacht. Der Schuh hing mit der Spitze neben dem gekrümmten Bein. Da froren die langsam abwärts geronnenen Tränen
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