Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
Vom Netzwerk:
sie. Am Waldausgang, sie sahen den Mann kaum, wurden Marduks Knie weich. Er ließ sich herunter auf den Boden. Nebel in Schwaden von dem nahen Flusse her. Trübe kleine Augen machte Marduk, den Kopf drehte er beiseite. »Schönes Leben« flüsterte er, »schöne Bäume, schöne Nebel.« Sie hob ihn, er strich über ihre Schultern: »Warum stierst du mich an, Marduk?« »Das ist mehr, als ich für möglich hielt.« Sie hatte leuchtende Augen; er hatte noch immer den Hang, in Schwindel zu verfallen, sah von ihren gefährlichen Augen weg. »Schöner Nebel, schöner Baum«, er hielt sie an sich, »schöner Mensch. Schöner Mensch. Menschenhaare. Menschenfinger. Menschenohren. Menschenhals.« »Sie waren immer da.« »Menschenhaare. Menschenhand. Kranke Schulter. Was hab ich gesündigt.« »Ich habe noch eine Schulter, Marduk.« »Gute Schulter, armes Gelenk, Marduk bittet euch ab.«
    In den Mooren südlich des Grinderwaldes begann Marduk wieder seine Arbeit. Die Truppe hatte sich, wegen der Gefährlichkeit der Arbeit und des verdächtigen Namens des Konsuls in dieser Landschaft nicht vermehrt. Sollte ein Resultat erzielt werden, mußte jetzt rasch Zimbo und die Horden ihrer Waffen beraubt werden. Marduks hannoversche Truppe war einer Anzahl von Unglücksfällen ausgesetzt. Der Erfolg ging hin und her. Die zarte Elina kämpfte mit.
    Bei dem großen Vorstoß, der von Marduk geführt, mit der Zertrümmerung fast aller schweren Waffen bei den ostelbischen Banden, der alten Horde, endete, rüstete Marduk, der stark und kalt wie ein Hirsch herumging, Elina selbst aus. Spiegelkleider trugen sie alle, an hellen sonnigen Tagen mußten sie vorgehen.
    Wie Marduk die Spiegelfacetten am Gewand Elinas ordnete, die dachziegelartig übereinandergeschobenen blechernen Streifen, die nach dem Licht auseinandergezogen und wie Segel gedreht werden mußten, häkelte sie mit ihrer Hand an ihrem schon geschlossenen Kragen, warf die gesichtverhängende Kappe hoch. »Steh ruhig«, bat Marduk.
    Sie hob die Kappe ab, zog sich von Marduk weg, schloß die Tür seiner Kammer: »Nicht das Kleid. Nicht das Kleid. Mich.« »Wir kämpfen, Elina.« »Kämpfen. Aber wir. Und wofür kämpfen wir.« »Du weißt es.« Sie hauchte dicht bei ihm: »Ich noch – um dich. Du mußt mich kennen.« »Nicht jetzt, Elina.« »Jetzt oder wann sonst. Jetzt.«
    Wie sie sich im Stroh umarmten, sah er die ersten Augen Arme. Sie, den harten sehnigen behaarten Leib umklammernd, stammelte: »Nichts an mir, was nicht dir gehörte. Laß nichts an mir. Alles, nimm alles weg. Laß nichts zurück.« Sie tauchte in ihm unter, erweichte verwehte. Er atmete: »Sag nicht Marduk zu mir. Wer ist das.«
    Sie starb fast in der Umarmung, wünschte zu sterben. Er stammelte an ihrem Hals: »Ich lebe ewig. Ich lebe ewig.«

    DER GROSSE Vorstoß, der auf die Gegend von Helmstedt und Gardelegen erfolgte und den abtrünnigen Banden den Verlust fast aller schweren Waffen brachte, verminderte die Zahl der Mitläufer Marduks um die Hälfte. Hier kam Elina um. Wie sie, selbst unsichtbar, einen unbewacht stehenden Riesenbrandwerfer, von der Art derer aus dem Gefängnis, auf eine dicht vorüberziehende Führergruppe der Horden richtete, – im Übermut, denn nichts hinderte sie an der Zerstörung des Apparates, – schlug die Flamme auf sie zurück, äscherte sie mit den Männern ein.
    Marduk spornte die Zurückkehrenden an. Man mußte sich beeilen. Nun war Zimbo, noch im Besitz, von Waffen, ungeheuer den Horden überlegen und konnte sie in die Knie zwingen. Wenig Apparate hatte man beim letzten Vorstoß erbeutet, die Spiegelhüllen sehr beschädigt. Es war ein verzweifeltes Wagnis, das Lager Zimbos, der sich mit starken Sicherungen versehen hatte, anzugreifen.
    Der Versuch mißlang. Mit selbstmörderischem Mut kämpften die überfallenden Männer, kaum fünfzig, die noch zu Marduk hielten. Wie eine Maschine, eine Lokomotive nicht an eigenen Schutz denkt, sondern auf ihren Schienen losrast, sich und fremde Züge zerschmettert, so drangen sie tollkühn, oft deutlich in ihren zerrissenen Masken sichtbar, an, zertrümmerten mit Hieben und Schüssen die empfindlichen Eingeweide der Apparate, die sie erwischten. Der Hauptteil dieser Leute verendete unter dem Strahlenschutz vor den feindlichen Apparaten, gegen die keine Maske half.
    Marduk lief in den Bereich einer Maschine, deren Anwesenheit er aus den eigentümlichen Kappen und Schutzmänteln der herumspürenden Männer erschlossen hatte. Nicht weit

Weitere Kostenlose Bücher