Berge Meere und Giganten (German Edition)
mit Grashalmen Birken Tannen. Riesenbäume wanderten da; die Erde unter ihnen wuchs mit ihnen, schwoll, als wäre sie flüssig gallertig und schäumte, an ihnen hoch. Die Bäume zogen ihre Wurzeln aus der Erde, schritten vorwärts, wackelnd, sich drehend, zogen im Zickzack hin, schlossen nahe Bäume in sich ein, rissen sie mit. Die Bäume schnaubten aus vielen Poren. Verlangsamten ihren Gang, standen gelähmt, schaukelten schwach ihre Kronen.
DER EINFALL der grönländischen Untiere dauerte den Winter durch. Eine panische Flucht von den Küsten setzte ein. Die Ostsee war von Schiffen überladen. In wenigen östlichen Stadtzentralen verloren auch die Senate die Führung. Die Herren der großen westlichen Stadtschaften machten sich stark. Die einströmenden durchströmenden Massen der Siedler erhoben gegen sie ihr anklagendes Geschrei; der Boden der Stadtschaften zitterte unter dem Grauen vor den grönländischen Wesen. Gelähmt waren große Teile der Bevölkerung, auch der Führer. Und neben der Angst wütete unter den Menschen ein unbestimmtes finsteres Schuldgefühl. Ihm konnten sich auch die Wissendsten nicht entziehen unter dem Schauer der Dinge, die sie erlebten.
In London hatte Delvil mit Pember die senatorische Gewalt in Händen. Mit sechs anderen Männern und Frauen teilten sie sich in eine Diktatur. Von Brüssel rief Ten Keir, der kleine belgische Führer, sie herüber. Nichts wankte in den belgischen Stadtschaften. Aber der furchtbare Schwarm der Urtiere ließ nicht nach, die Brüsseler Vorstädte im Westen und Norden waren in Trümmer gelegt. Zu dem Entsetzen, das hier die Menschen zusammenballte, kam rasch Haß auf die Siedler, die zu der Grönlandexpedition getrieben hatten, und auf die englischen Führer.
In seiner unterirdischen Arbeitskammer empfing Ten Keir glühend den schmächtigen Delvil. Er dachte Zorn und Gift auf ihn loszulassen, schrie höhnisch, wie der nur die Tür öffnete: »Sieg! Sieg! Grönland ist enteist! Wir sind befreit! Wir laden Menschen auf die Schiffe.« »Sieg!« schrie Delvil entgegen, »wir haben gesiegt. Wer hat nicht gesiegt?« »Wie sieht dein Sieg aus, Delvil? Du hast dich über den Kanal gewagt. Du bist nicht verschluckt worden. Ich wünsche dir Glück zu dem großen Sieg.« Delvil schmetterte die Tür zu. Kalt und ruhig setzte er sich auf einen Schemel: »Wer die Nerven hat, hat gesiegt. Du siehst, ich bin über den Kanal geflogen. Ich habe die Bestien geifern sehen. Habe auf sie gespuckt.« »Glückwunsch, o Held! Sieh dir Gent an. Hast du Kortrijk gesehen? Kortrijk im Westen, du mußt es gesehen haben; seit zehn Tagen verwest es.« »Ten Keir, es scheint, wir spielen mit verkehrten Rollen. Mir kann es recht sein.« »Und was tust du?« »Ich bin Delvil. Ein Mensch. Glaubst du, Ten Keir, weil ich schwach bin, ich bin kein Mensch? Die Bestien mögen nur kommen. Jetzt, jetzt kann ich sie nicht besiegen. Im Augenblick nicht. Wir sind nicht darauf vorbereitet. Warte einen Tag, fünf Tage.« »Das glaubst du, Delvil? Es sind ja nicht nur Tiere.« »Es sind Tiere. Es sind Tiere; nichts weiter als das. Es sind schon andere Dinge an die Menschen herangetreten und sie haben sie bezwungen.« Delvil stand. Er war blaß; sein Gesicht verbissen: »Ich bin ein Mensch. Du wirst mich nicht vom Gegenteil überzeugen. Ich kam her, mit Pember, um dich zu fragen, Ten Keir, welcher Meinung du bist. Gibst du es auf, so sag es mir. Ich muß wissen, woran ich bin.« »Ich hab mir im Grunde keine Fragen stellen zu lassen. Wenn du erbittert bist und wir entsetzt sind und unsere Stadt schon zur Hälfte verwüstet ist, so weißt du, wer daran schuld ist.« »Ich will wissen, woran ich bin. Hier ist kein Gericht. Ich habe die Tiere nicht gerufen.« »Das ist Grönland. Das ist der Zug der Siedler nach dem neuen Erdteil. Unsere Befreiung. Unsere Rettung vor dem Untergang.« »Das ist die Rettung vor dem Untergang. Ich habe es nicht gewollt. Aber es ist recht. Wir wissen, woran wir sind.«
Delvil flüsterte: »Sag ja, Ten Keir. Ich warte auf dich.« »Sprich lieber nichts. Spitz die Ohren, was über uns geschieht. Vielleicht bewegen sich die Wände. Man weiß nicht was geschieht.« »Sag ja oder sag nein. Ich bin fünfzig Jahr alt. Jahrtausende haben für uns gearbeitet. Gedacht. Du hast es mir einmal klar gemacht. Ich habe es nun sehen gelernt. Ich bin ein Mensch. Ich gebe nicht auf, es zu glauben. Und du?« »Ich auch nicht.« »Dann gib mir deine Hand.« »Was soll das.« »Das ist deine Hand.
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