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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Ackerbauern. Kinderscharen wurden losgelassen. Entsetzen unter ihnen. Sie sollten umkommen; wer nicht Boden und Vieh besaß, sollte verhungern. Man verlangte vor dem burgartig gesicherten Stadtgebäude nach Marduk, der sich nicht sehen ließ, forderte seine Absetzung. Die Menschen zerstreuten sich zum Schutz der noch unversehrten Mekifabriken und Anlagen, organisierten ihre Bewachung. Marduk ließ wochenlang diesen Zustand. Als der Senat sich weigerte, die Menschen zu beruhigen, gab der Konsul bekannt, daß er selbst die Anlagen schütze. Das Recht der Auswanderung stünde jedem frei. Die Erregten kehrten sich nicht an Marduks Warnung. Da kamen ihm Haufen Landsiedler zu Hilfe. Nachdem eine Zahl der Unruhigen von den Speichern und Anlagen verdrängt war, ein Teil von Marduks Wache im Innern der Anlagen unschädlich gemacht war, zerfloß die Revolte. Ein neuer Strom Menschen ergoß sich aus dem immer wüsteren Land.

    DIE BLONDE ernste weißhäutige Marion Divoise stand bei dem Streit des Konsuls Marduk mit den Senatoren in einer Fensternische des Saales, ließ ihre graugrünen Augen schweifen. Viele Mädchen und Jünglinge hingen an ihr. Sie dachte, als sie Marduk oben sah: wer ist es; wenn er mich bewegen erregen könnte. Bei dem folgenden schrecklichen Tumult brach sie zusammen, wurde verwirrt nach Hause gebracht.
    Marion Divoise, die üppige vollbusige Blonde, die Freude vieler Männer und Frauen, drängte seit da zu Marduk. Sie verlangte, wie viele, vergeblich Zutritt zum Konsul. Der lebte eingeschlossen bald im Stadtgebäude, bald in seinem ärmlichen Landhaus; es war nie sicher, wann er da und dort mit seiner schwer bewaffneten Wache erschien. Marion hörte auf, die Strenge zu sein, die Männer und Frauen durch ihre geheime Süße anlockte, die sich ernst und verstehend, warm und dann wieder fremd unter ihnen bewegte. Der schauerliche Tumult bei der Parlamentsrede Blue Sittards am Tage nach Marduks Staatsstreich war ihr nicht aus der Seele gegangen. Sie suchte sich beängstigt davon wegzuziehen. Weder Männer noch Frauen hatte sie bis dahin ernsthaft angehört. Sie folgte immer Lockungen und Erklärungen mit ihrer Güte und Sanftheit, aber leicht obenhin. »Was ihr alle sonderbar seid« war ihr heimlicher Gedanke bei den Begegnungen mit ihren Freunden; allein saß sie oft zu Hause in ihrem Schlafzimmer und lachte, lachte über die Menschen. Bisweilen riß sie einer in seiner glühenden Neigung weit hin. Aber wenn die jungen Menschen dringlicher nach ihren schönen Armen, ihrem Hals, ihren Hüften griffen, stieg der Widerwille in ihr auf. Ohne Maß beleidigt war sie, mit Haß und Demütigung überfiel sie den schmerzlich Getroffenen, der sich wand. Ein Vieh nannte sie ihn. Es hieß, daß sie sich früherer Liebhaber bediente, um einen Menschen, der ihr zu nahe gekommen war, tief und raffiniert zu kränken, ihn nackt aus dem Bett seines Hauses auf die offene Straße zu werfen.
    Sie hatte, wie Marduk seine gefürchtete Wache, eine Schar von Männern und Frauen, die der weißen strengen Person jeden Dienst leisteten. Aus ihnen suchte sie sich jetzt zum ungläubigen Staunen der anderen, denen es zugeflüstert wurde, selbst Freunde Liebhaber aus. In Scham zwang sich die Balladeuse dazu. Sie wollte zu einem Mann. Es waren für sie Szenen furchtbaren Leidens, wo sie neben einem freudigen glücküberschwellenden Wesen saß, das sich ihr zu Füßen warf, ihre Zehen küßte, und dann von ihrem Hals, ihren Armen, ihrer Brust nicht ließ. Sie fror und glühte, bebte am ganzen Rumpf. Das sprang wie ein Käfer an ihr herum, suchte seinen Speichel mit ihrem zu vermischen; sie wandte durchschauert ihr Gesicht ab, das sich versteinte. Sie litt, wollte es dulden, wenn sie auch zerbrach. Sie wich zurück, versuchte es mit neuen.
    Und dann saß sie einmal mit einem Mann zusammen, den sie nie gesehen hatte, einem farbigen sie selbst anwidernden Mann, der eine Viehherde angetrieben hatte. Im Augenblick, wo sie ihn sah, verlangte sie nach ihm. Starr stand in ihr fest, sie wollte nicht zurückweichen. Ohne Narkose; ganz gewiß von diesem Kerl. Er trank schon nach einer halben Stunde neben ihr. Sie rührte kein Glas an; umschlang erschauernd seinen runden Wollkopf. Er verstand. Er dachte eine Canaille zu vergewaltigen; trug sie in seinem Kittel vorsichtig auf ihr Bett. Da hatte sie sich ein Kissen vor das Gesicht gedrückt, bettelte um Gnade. Weinend betäubt rasend vor Selbstverachtung gab sie sich der Schändung hin. Sie stand den Kopf

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