Berge Meere und Giganten (German Edition)
steif in ihrem Begehren, den Konsul zu sprechen. Sie wurde zornig. »Ist er mehr als ich. Warum versteckt er sich? Er ist Konsul, er nennt sich so, er muß hören, was man von ihm will.« »Muß er das, Marion? Er meint es nicht. Er denkt umgekehrt, wir müssen hören, was er will.« Sie stand blaß auf: »Das wußte ich, daß es so ist. Es ist mir recht, daß Sie hergekommen sind, Jonathan, und daß Sie es mir noch sagen. Ich will ihn sprechen, so steht es, ich muß es, und das verlange ich.« »Seien Sie nicht wild, Marion. Es sind schon manche wild gewesen und sind nicht mehr wild.« »Nicht ich. Nicht ich.« Sie stand und flüsterte. Jonathan drückte sie auf ihren Sessel: »Sagen Sie, Marion, was ist. Ich will mit ihm sprechen.« Sie schwieg; dann: »Gut.« Und wie sie fertig gesprochen hatte, dachte Jonathan: wie recht hat Marduk, daß er sie nicht hört; Weiber sind Räuber. »Gut Marion, ich wills ihm sagen. Gehen wir.« Wie sie aber ein paar Schritt gegangen waren, drückte ihm Marion plötzlich heftig die Hand, sah ihn so dringlich an, daß er ein Erstaunen fühlte und ihm der Einfall kam, zu Marduk von ihr zu reden.
Man ließ die schöne Balladeuse vor Marduk. Als er in seinem Zimmer des Ratsgebäudes von dem ungeheuren Wandgemälde der Uralischen Flammenbergwerke und der flüchtenden versinkenden Menschen sich herbewegte, braunschwarz wie die Menschen des Bildes, zitterte sie zum ersten Male. Er schien mit seinen unsicheren Beinen dem Riesenkopf den dunklen ernsten Augen aus dem Bild herauszuwackeln. Jonathan führte sie. Marduk gab ihm die Hand, lächelte: »Wen bringst du mir.« Er sah nur Jonathan an, bat, als der gehen wollte, er möchte bleiben, lächelte schweigend, als er gegangen war, noch in der Richtung seines Weges. Mit demselben Lächeln drehte er sich automatisch Marion zu, die Jonathan auf eine Sitzbank geführt hatte: »Was willst du, Marion. Was tust du?« Geheimnisvoll fühlte sie sich berührt, entwaffnet. Schwach und still sagte sie, sich verwirrend, wieder zitternd, es müßten die Ländereien der Stadt nach Norden und Nordwesten ausgedehnt werden. Marduk fragte, ob der Senat sie dabei im Stich ließe. Sie mußte es verneinen, log, sie fürchte sich vor dem Widerstand ihrer eigenen Leute, wollte Bewaffnung und Schutz auf ihrem Besitz. Dies sei unmöglich, gab Marduk von sich, versprach, mißtrauisch sie anblickend, seine Hilfe für weiterhin, stand auf, wieder auf seinen Platz zwischen den braunschwarzen Versinkenden zurückzukehren.
Sie war nur wenige Minuten bei Marduk gewesen, da ging sie langsam durch mehrere Türen, über Treppen hinaus. Jonathan sonnte sich auf der großen Freitreppe; er hielt einen Schmetterling auf seiner Kappe, schaukelte ihn; sie wich ihm aus. Von der Begegnung mit Marduk brachte sie nichts mit als einen Groll auf Jonathan, eine bis zum Zorn gesteigerte dumpfe Wut auf diesen, auf diesen. Sie ging aufgelöst in ihrem Zimmer umher; nachmittags ritt sie mit Desir aus, unterwegs liebkoste sie ihn, weinte wild, neben ihrem Pferde über die Felder gehend.
Die starke Frau arrangierte Gehässigkeiten gegen Marduk. Die Frauenbünde, fast zerfallen, waren damals in den fremden Stadtschaften erneut rege; sie streckten ihre Arme nach der Mark aus, wo sie heimliche Frondeure unterstützten. Die Berührung mit ihnen tat der Balladeuse wohl. Sie machte sich Mut, unterstützte Frondeure. Dann spielte sie wieder mit Desir. In das Leben dieses Desir wurde sie eigentümlich hineingezogen. Der Feine fesselte sie nicht. Erst, wie sich an ihn andere begehrliche Frauen hingen, merkte sie auf, wollte seine Zärtlichkeit nicht vermissen, las mit Beklemmung die Zettel, die er von anderen Frauen erhielt, sah die Blumenkränze, mit denen sie ihn behingen. Und sie seufzte und wollte es nicht dulden. Sie fühlte sich gedrängt, auf diese Frauen loszugehen mit einer Erregung; aber dahinter stand schon die Trauer. Sanft ließ sie Desir mit einer anderen Frau, sanft hängte sie sich selbst an die andere Frau, forschte sie aus, sah ihre Neigung Glück, ging wieder zu Desir, stand kopfsenkend da, fiel neben ihn, der sie verlangte, seufzte mit leeren Augen, eingehüllt von seiner Weichheit, den unaufhörlichen Flüsterworten, von den Händen an Stirn und Hals gefaßt, die in sie nichts strömten. Sie tat froh auf den Fahrten, Desir war ihr Mann, von ihm wollte sie ein Kind. Nein, nicht ein Kind, viele Kinder. Ihre Ruhe wollte sie vor Augen haben, festhalten. Es sollte alle Vergangenheit
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