Berge Meere und Giganten (German Edition)
verloren. Ich bin allein. Wer hilft mir weiter.« Er summte, den leeren Blick gegen das regentriefende Fenster, eine traurige Melodie. Als der Jüngere leuchtenden Gesichts einfiel, schlug sich Marduk die Brust mit kurzen drückenden Schlägen, hielt sich verzweifelt den Kopf: »Ich bin allein. Hier sitze ich. Wer hilft mir weiter. Wer hilft mir weiter.« Er ließ sich auf einen Schemel neben dem kleinen runden Weintisch fallen; um die anderen niederzuschlagen, um über ihnen zu stehen, war er aufgebrochen, hatte alles gelassen. Was ließ er zurück, was war dies Neue, das er gewann. Die Macht über diese. Über alle. Was. Was. »Verflucht« stöhnte er; sein Glas in der losen Hand kippte um, der rote Wein rieselte auf den Teppich. Den Widerwillen, die Selbstverstoßung, Empörung, die die Fingernägel in die Handteller einbohrt, sah Jonathan, der sich nach ihm weit vorbeugte. Fahl matt wurde plötzlich sein Gesicht, die Schultern sanken ihm langsam herunter, die Unterlippe hing sehnsüchtig traurig; der Schlimme saß da, der Schlimme, wieder der Schlimme, rang mit sich. Und Marduk kam herüber zu ihm; das Glas stellte er auf den Tisch; in Brust Schultern Armen fühlte er sich durchbebt: »Mein Spiegel«, dachte er, »er ist es.« Gierig blickte er ihn an, sog seinen Anblick ein. Nein, er war nicht, vielleicht nicht verloren. Dies war ein Schmerz; dieser litt. Dies war Jonathan, sein Freund sein Kind sein Herz. Traurig berührte Jonathan, bittend, als er ihn fühlte, seinen Arm: »Soll ich?« wühlte es erstickt, schluckte es in Marduk. Er hörte wie ihn der Jüngere Sanfte mit verschleierter zarter Stimme ansprach: »Du mußt mir von deinen Versuchen, den letzten, erzählen. Du kannst es ruhig tun.« Marduk wand sich; es war nicht möglich, daß einer so sprach; dies war Jonathan. Er hielt sich, die Hände rückwärts aufstemmend, an der Tischplatte fest, stieß, die Augen schließend, durchflutet, von einer Kühle übergossen als wäre er entblößt, einen tiefen Seufzer aus. »Mach das Fenster auf« bat er Jonathan. Wie der Regen draußen trommelte; nasser Wind flog herein. Nur mit Mühe arbeitete Marduk eine Stunde. Dann legte er sich, nicht einmal über sich erstaunt, am hellen Mittag in sein Bett. Wühlte sich tief und tiefer in das Kissen, schlang die Decke als wenn er sich verkröche, fest über sich. Wie von einem Zauberfinger berührt schlief er ein, fest. Ein Schlaf, der sein Mark durchfloß.
DIE TOTEN wurden am folgenden Tage öffentlich beerdigt. Der Konsul beteiligte sich an dem feierlichen Zug. Er erklärte keine Rache üben, keinen Schrecken verbreiten zu wollen. Abends bebte die Erde wie im Beginn von Markes Konsulat: zahlreiche entdeckte Anlagen und Versuchsstätten, auch Marduks eigene wurden in die Luft gesprengt.
Er selbst sammelte um sich eine große Anzahl von Männern und Frauen, die ihm ergeben waren, Waffen trugen, Angriffs- und Abwehrapparate herstellten und vervollkommneten. Er umgab sich wie ein Tyrann mit Hunderten Spionen und Wächtern.
In der Zeit seines Konsulats verminderte sich die Einwohnerzahl des Stadtgebiets um Millionen. Der Zuzug hörte ganz auf. Nicht nur Versuchs- und Arbeitsstätten sprengte Marduk, sondern in rascher Folge eine Zahl von Fabriken und Anlagen, die er für unnütz hielt. Er griff damit in den Besitz der stärksten Herrschaftsgruppen ein, die er verelendete. Die planmäßige Zerstörung dieser Einrichtungen, die der Bequemlichkeit und Annehmlichkeit, aber auch dem Austausch mit anderen Stadtschaften dienten, hatte zur Folge die Herauslösung der märkischen Stadtschaft aus dem allgemeinen großen Verkehr der Industrien und damit weitere Entblößung des Landes. Die Mekifabriken hielt Marduk in der Hand, stieß die Menschen aber mit Gewalt in die Wildnis der Forsten und Felder. Es entstand die erste wirkliche Revolte, als er ohne Befragen des Senats auch eine Anzahl Nahrungsspeicher sprengte. Er zerstörte diese kunstvollen Anlagen, ließ sie nicht zerfallen, um durch die tosende Zertrümmerung seinen Willen zur glatten Abwendung von ihnen bekanntzugeben. Der Senat, der bald aus einer Mehrheit ernster Anhänger des Konsuls bestand, – viele Frondierende zogen sich verzagt, überdrüssig in die näheren und ferneren Landschaften zurück, – stellte sich gegen ihn. Aus allen Gegenden der Stadtschaft rückten damals gegen die Ratsgebäude die Menschen mit den schlaffen apathischen Zügen, den unsicheren dünnen Gliedmaßen, den starken Leibern, auch härtere
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