Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers
Helfer, Zuträger (von Informationen, Ideen), Gesprächspartner, Handwerker (Foto, Film). Zuletzt bleibt »der Stoff, aus dem meine Träume sind«, das Handeln.
Heimat ist nicht zu finden. Nur zu haben. Wie das Selbstverständnis. Das Testen meiner Kondition, Zusammentragen von Wissen, Abgehen von Teilstrecken der Tour, Verhandeln mit den Medien, Ãberprüfen meiner eigenen Versprechen wird vorerst aufgeschoben.
Sommer 1991
Für die Aktion »Rund um Südtirol« sind ebenso viele Fähigkeiten Voraussetzung wie für eine Expedition in den Himalaja: Kletterkönnen, Ausdauer, Beharrlichkeit. Dazu kommen Finanzierung, Auswahl der richtigen Ausrüstung. Darüber hinaus müssen Spezialistenwissen (über bestimmte Wegabschnitte und Themen), Bergführer und Unterkünfte besorgt werden. Wichtige und unwichtige Dinge sind zu koordinieren. Ein Team dafür habe ich schon.
10.9.1991
Pressekonferenz in Salurn. Die Aktion wird vorgestellt. Start.
Wir wollen im Uhrzeigersinn an der Südtiroler Landesgrenze entlangklettern (in 40 Tagen, ohne Rasttag). Das Nachdenken über Geschichte, Politik, Ãkologie, Tourismus, Berglandwirtschaft, Verkehr, Zukunftsperspektiven des Landes steht dabei im Vordergrund. Und zur Diskussion.
Paul Hanny bringt uns Tag für Tag die passende Ausrüstung zum Etappenziel, dazu Gesprächspartner (Historiker, Pfarrer, Weinbauern, Fremdenverkehrsstrategen, Naturpark-Fachleute, Politiker) und lokale Bergführer für jene Abschnitte, die weder Hans noch ich kennen. Dabei respektiere ich die Eigenständigkeit dieser Bergführer, der einzelnen Themen und Personen. Das Abspalten neuer Themen geschieht spontan. Der regelmäÃige Austausch der Bergführer ist mir aus zwei Gründen wichtig: Hans und ich brauchen für die schwierigen Wegstrecken Spezialisten, und ich will mit möglichst vielen Südtirolern zusammensein, reden.
Das Wichtigste aber bleibt, dass ich ganz dabei bin, ganz darin aufgehe. Weder mir noch anderen etwas vorspiele. Auch das Schielen nach Anerkennung, das uns nur allzu schnell dazu verleitet, uns den Vorstellungen der anderen anzupassen, trübt den Blick. Bevor ich Gegebenheiten, die andere auch sehen, anders sehen kann (nicht konditioniert), muss ich alle Angst vor Ablehnung aufgegeben haben. Nur so kann ich zum Sehenden werden.
Im Gegensatz zum Künstler, der sein Sehen ausdrückt mit Worten, Musik oder Bildern, drücke ich es aus durch mein Tun. Kletternd, mit den Beinen denkend. Ein Land und seine Menschen begreifen und sie gleichzeitig in dieses Begreifen einbeziehen, so heiÃt mein Anspruch. Handeln statt reden, das ist meine Kunst. So wie Christo den Reichstag einpackt, gehe ich um das Land Südtirol herum â1000 Laufkilometer weit, über 300 Gipfel hinweg, 100000 Höhenmeter aufwärts. Bei Sonne, Regen und Schnee.
Es sind vor allem die unverfälschten Landschaften, so unnütz sie vordergründig erscheinen mögen, die eindeutige Erfahrungen erlauben. Immer weiter und immer wieder. Mit meiner ununterbrochenen Aktion zwinge ich andere, dabeizubleiben, mitzudenken. Dabei macht das häufige Unerreichbarsein für Nachrichten von auÃen frei für Nachrichten von innen.
20.10.1991
Ankunft in der Salurner Klause. Pressekonferenz. Kurze Zusammenfassung. Das Südtirolbild, das wie ein Puzzle in mir entstanden ist, gilt es jetzt auszudrücken (Buch). Das Selbstverständnis, mit dem ich in Südtirol daheim bin, gehört vorerst nur mir. Im Disput kann es anderen Südtirolern zuwachsen.
Jetzt bin ich frei für ein neues Projekt. Die Hälfte meines Lebens ist vorüber, und ich fordere mich immer noch. Ich frage mich allerdings nicht mehr, warum. Erst wenn ich von einer Idee besessen bin, breche ich auf. Mich interessiert dann weder Gewinn noch Verlust; die Neugierde ist mein Treibstoff geblieben. Ich setze mich nicht in den Sarg der Erinnerung; ich weià mich auch hier zu entzünden â hier, mitten in Europa.
»Ich weià viel weniger, als ich rate. Erratenes stelle ich auf die härteste Probe.«
Koordination als Puzzlespiel
U m eine Expedition an das Ende der Welt zu führen, brauche ich unterschiedliche Fähigkeiten. Ich muss das Unternehmen finanzieren, ein Team zusammenstellen und führen, Ausrüstung erfinden und testen. Kletterkönnen, Ausdauer, Training gehören selbstverständlich dazu. Am schwierigsten bleibt das Umsetzen
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