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Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Titel: Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BLV Buchverlag GmbH & Co. KG
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sähen. Ich gehe dorthin, wo ich immer auch scheitern könnte. Das Erkennen neuer Wege bleibt eine meiner übergeordneten Zielsetzungen.
    Ich bin nicht ganz ich selbst, wenn ich nicht ab und zu irgendwohin aufbrechen kann – in die Vertikale als Kletterer, in die Horizontale als Eis- und Wüstenwanderer. Dabei suche ich nicht die Gefahr. Es ist dieses Ganz-in-einem-Tun-Aufgehen, dieses Leerwerden beim Gehen, das mich ausfüllt. Das Gehen schließt den ganzen Körper mit ein. Und den Geist. Ich genieße es, wenn ich weit und lange gehen kann. Auch nachher, wenn ich müde bin. Ich fühle mich wohl, wenn ich merke, weiter könnte ich nicht gehen.
    Winter 1987
    Die Idee »Rund um Südtirol« konkretisiert sich zuerst als »Expedition vor der Haustür«. Aber ich bin auch ein politisch interessierter Mensch. Seit Jahren bin ich unserem Südtiroler Selbstverständnis auf der Spur. Mit meiner Aktion könnte ich mich und alle anderen Südtiroler zu einer Stellungnahme zwingen: Wer sind wir Südtiroler heute? Welches sind unsere Grundüberzeugungen? Sind sie richtig?
    Solange alle Menschen die gleiche Meinung haben und in dieselbe Richtung denken, ist es einerlei, ob wir Realisten oder Idealisten sind.
    In der Auseinandersetzung erst, im Konflikt, zeigt sich, wie weit wir im Faustrecht stecken geblieben sind. Im winzigen Land Südtirol, wo die Lokalmedien so leicht zu monopolisieren sind, ist Rufmord an der Tagesordnung. Im theoretischen Schlagabtausch gehe ich als Einzelner, ohne Lobby im Hintergrund, schnell k. o. Nur wenn ich zusammen mit anderen und mit den Beinen denke, bin ich von Kopfmenschen, auch wenn sie sich alle zusammentun und ihre Attacken als Heimatliebe verschleiern, nicht aus dem Stand zu heben. Ich will seelisch nicht verhungern in diesem Haufen von Grüß-Gott-Sagern und Händeschüttlern. Auch alle Auszeichnungen und Lobreden könnten meinen Hunger nach Dazugehören nicht sättigen. Also muss ich möglichst viele Südtiroler in das »Nachdenken über das eigene Land« einbinden.
    Brauchen wir neue Leitwerte? Sind wir zu einem friedlichen Miteinander fähig? Meine Wertvorstellungen will ich jedoch nicht predigen. Ich will Geschichten erzählen, Mythen und Legenden aufschreiben. Alles, was mir beim Umrunden des Landes »unter die Füße kommt«. Taten sagen mehr aus als Worte. Das aufrichtige Engagement, mit Beharrlichkeit und Offenheit vorgelebt, versetzt Berge.
    Bei der gemeinsamen Expedition zur Lhotse-Südwand erzähle ich Hans Kammerlander von der Idee »Rund um Südtirol«. Er ist begeistert und will mitmachen. Obwohl wir politisch gegensätzliche Positionen vertreten.
    Ich treffe die Entscheidung, die Aktion zu zweit und im Herbst 1991 durchzuführen. Den Zeitpunkt geben drei Umstände vor: Die 70-jährige Zugehörigkeit Südtirols zu Italien; die Südtirolfrage soll mit der Streitbeilegung zwischen Österreich und Italien an Brisanz verlieren; 1993 wird die Öffnung der Zollschranken in der EG Südtirol noch einmal verändern. Die konkrete Planung beginnt.
    Die Idee in die Tat umzusetzen füllt mich oft mehr aus, als die Idee auszubrüten.
    Obwohl ich nach der Antarktis-Durchquerung mit den »Nachwehen« beschäftigt bin, bleibe ich aktionsorientiert. Die Notwendigkeit, im Südtirolprojekt weiterzukommen, ist gebremst von Terminengpässen. Obwohl es weit im Voraus schwierig ist, einen Starttag festzulegen, müssen wenigstens Eckdaten und die wichtigsten Fragen zum Thema formuliert werden. Ich treffe Entscheidungen. Nach dem Motto: Lieber eine Ad-hoc-Ent-scheidung als gar keine. Auch chaotisches Tun ist besser als geordnetes Nichtstun. So lege ich Termine zur Südtirol-Umrundung fest (10.9. bis 20.10.1991) und übergebe Ruth Ennemoser, meiner früheren Sekretärin, einige Anhaltspunkte (Namen, Themen) zur Erstellung eines Aktionskatalogs »Rund um Südtirol«. Das Land anfassen, die Leute treffen, die Zukunft riechen, das soll am Ende dabei herauskommen.
    Paul Hanny, ein Selfmademan in Sachen PR und Organisation, übernimmt die Produktion (Film, Bilder, Texte) und Finanzierung der Aktion. Der Versuch, möglichst viele Aufgaben zu delegieren und über ein breites Spektrum von verschiedenen Aktivitäten zu Ergebnissen zu kommen, ist neu für mich. Da ich diesmal aber mehr will als eine persönlich erlebte Geschichte (Erfahrung), brauche ich

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