Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers
der Ãffentlichkeit war sie gestartet. Dabei hatte sie nicht mehr die Schnellkraft und Ausdauer einer DreiÃigjährigen. Sicher, sie war erfahren, motiviert. Aber sie stand unter Zeitdruck. Und vermutlich deswegen â der Druck, der auf ihr lastete, war wohl zu groÃ, lähmte sie â ist sie im Frühling 1992 an der Nordseite des Kangchendzönga gestorben. Obgleich für den Gipfelaufstieg zu müde und zu langsam, wollte sie die Besteigung des dritthöchsten Berges der Welt erzwingen. Diese Tragödie ist ein Irrwitz: Wille und Erfahrung reichten aus, sie so hoch steigen zu lassen, dass sie niemand mehr herunterholen konnte.
Wenn das Spiel, so weit wie möglich zu laufen, so hoch wie möglich zu steigen, zu einem zwanghaften Muss wird, ist es ein doppelt gefährliches Spiel. »As far as possible« ist auch in der Wirtschaft gefährlich, im Sport, in der Politik. Immer, wenn es zu ernst genommen wird. Es gibt Grenzen, die wir zu respektieren haben. Wer diese Grenzen überspringen will, spielt als Industrieller unter Umständen mit der Zerstörung der Umwelt, als Sportler nicht selten mit Drogen, als Grenzgänger mit dem Tod.
Arved Fuchs und ich hatten in der Antarktis schlieÃlich Erfolg, obwohl wir als zwei grundverschiedene Charaktere nicht zusammenpassten. Wir hatten Erfolg, weil wir es immer wieder verstanden, unsere unterschiedlichen Fähigkeiten zu summieren. Ob Motivation oder Manipulation, wir gaben nicht auf, uns zu fordern, uns einzubringen. Es brodelte zwar zwischen uns, aber ohne Streit. Dieser Gäransatz hat schlieÃlich zum Erfolg geführt, wobei Bremser- und Antreiberrolle gleichermaÃen wichtig waren. Als Einzelne wären wir in der Antarktis beide gescheitert. Als Team kamen wir zu Fuà weiter als alle anderen vor uns.
»Aktivsein im Dasein hebt die Frage nach dem Warum des Lebens auf.«
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Daheim im Selbstverständnis
⢠Unterschiedlichste Fähigkeiten sind Voraussetzung, um die Aktivität Grenzgang in Bewegung zu halten: Finanzierung, Teamwork, Ausrüstung erfinden und testen, Kletterkönnen, Training, Durchstehen, Auswerten in Form von Vorträgen, Büchern, Berichten, Dokumentarfilmen.
⢠Herausfinden, was mir in welchem Lebensabschnitt entspricht.
⢠Ich bin Ideator, Stratege, Akteur, Schiedsrichter in einer Person.
⢠Generalunternehmer ist Systemintegrator und Verantwortlicher zugleich.
⢠Ich bin nie nur Know-how-Träger.
⢠Spezialistenwissen und Generalistenwissen können besorgt werden.
⢠Auch der Partner muss selbstbewusst sein.
⢠Vorgabe von Aufgaben.
⢠Unwichtige und wichtige Dinge koordinieren.
⢠Zuletzt bin ich immer selbst schuld, wenn etwas nicht klappt.
⢠Das Abenteuer fängt ausschlieÃlich im Kopf an.
⢠Realisation ist Umsetzen einer Idee in die Tat.
⢠Die Kunst dabei ist die richtige Schrittfolge.
⢠Idee und Tat werden eins, Denken und Handeln identisch.
⢠Selbstverständnis als Resultat.
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»Die Tat verstehe ich als âºoffenen Lernprozessâ¹, nicht als Heldentum.«
Mit den Beinen denken
Herbst 1984
Seit Monaten bin ich dabei, mich neu einzurichten. Meine abgesicherte Existenz (Haus in Villnöss, verpachtetes Sportgeschäft, eigene Alpinschule) engt mich mehr und mehr ein. Ich weià noch nicht, wie ich mich verändern werde, ich weià nur, wohin.
Dabei will ich in Südtirol bleiben. Obwohl ich nirgendwo sonst auf so viel Kritik und Missgunst stoÃe wie »daheim«. Ich bin Südtiroler, auch wenn ich mich den Vorstellungen, wie mich andere Südtiroler gerne hätten, nicht anpasse.
In Juval (1000 Jahre alte Burgruine) habe ich einen Platz gefunden, an dem ich mich ausbreiten und entfalten kann. Ich kann planen, gestalten, träumen. Mein Vorsatz, mit 40 eine bürgerliche Existenz zu haben, war falsch gewesen. Sie entspricht nicht meinem Wesen. Also bleibe ich ein moderner Halbnomade: sechs Monate im Jahr daheim, sechs Monate unterwegs.
Dieses mein Unterwegssein hat nur wenige Richtlinien: Erstens gehe ich dorthin, wo die anderen nicht sind; zweitens lasse ich mich von der Neugierde leiten; drittens versuche ich, bis zur Grenze zu gehen; viertens riskiere ich, verändert oder nicht wieder zurückzukommen; fünftens folge ich dem Weg meines Herzens. Ich gehe nicht dorthin, wo mich die Medien, meine Fans oder Vertragspartner (Verleger, Sponsoren) gerne
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