Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers
der Idee in die Tat, das Durchstehen kritischer Momente. Die Auswertung (Buch, Vorträge, Dokumentarfilm) ist (eventuell) ein Teil der »Nachwehen«. Alle diese verschiedenen Aktivitäten sind Voraussetzung, um in meiner Sparte Erfolg zu haben.
In den letzten Jahren habe ich wiederholt Aktionen gestartet, die mehr voraussetzten als ein üblicher Grenzgang. Beim »Marsch rund um Südtirol« stand die bergsteigerische Seite im Hintergrund. Mich interessierte ein Blick hinter die Kulissen des Landes. Meine Aktion sah ich vor allem als katalysatorisches Eingreifen, als Gegengewicht zum massiven Einfluss der bestehenden Institutionen (Politik, Medien) auf die Menschen.
Meine globale Sichtweise von auÃen und vom Rande her eignete sich als Ausgleich zum verengten, am Wahlzyklus ausgerichteten Blickwinkel der Mehrzahl der Politiker und Medienvertreter.
Weil ich an die schöpferische Kraft spontaner Prozesse glaube, hoffte ich, durch mein »begriffenes« Hintergrundwissen einen Beitrag leisten zu können zu einem Selbstverständnis, das weder aus Werbebroschüren der Landesregierung noch aus wiederholten Leitartikeln zur »Bedrohung der völkischen Minderheit« zu gewinnen war. Angeregt durch eine Vielfalt an persönlichem Gedankenaustausch, täglichem Konfrontiertwerden mit Problemen des Verkehrs, der Umweltzerstörung, der Almwirtschaft, wollte ich Impulse geben für eine andere als die gewohnte Sicht der Dinge.
Ich brauchte eine Menge an Spezialisten- und Generalistenwissen, die ich mir erst besorgen musste. Ich bin weder Historiker noch Politiker noch Ãkologe. Ich bin ein politisch bewusster, historisch interessierter und ökologisch aufgeschreckter Mensch, der vor allem in dem Land, in dem er aufgewachsen ist, lebt und weiter leben möchte, mitgestalten will.
Mein Weg ist nicht der des Parteipolitikers. Ich will nicht in ein Parlament oder in den Gemeinderat. Also brauche ich nicht nach Wählerstimmen zu schielen. Ich sage, was ich denke, wie ich es denke. Meist ungeschminkt. Ich will nur aufrütteln.
Ich habe mich nie bemüht, ein Volksheld zu sein, und bin Ablehnung gewöhnt. Besonders daheim. Trotzdem, es ist nicht immer einfach, gegen so viel Unverständnis anzulaufen. Die Versuchung aber, mich den Kritikern anzubiedern, war nie groÃ.
Weil ich auch als Bergsteiger aktiv war, entsprach meine Südtirol-Aktion sowohl meinem Können als Geher und Kletterer als auch meinen Intentionen. Auch mein Partner ist selbstbewusst. Hans Kammerlander ist Südtiroler und Bergsteiger wie ich. Einer der besten der jüngeren Generation.
Ein frei denkender Partner, eine Reihe von Gesprächen, der lange Marsch über die Grenzberge â das waren die Spielregeln, nach denen die Aktion »Rund um Südtirol« zustande gekommen ist. Ich erwartete nicht, dass wir im Lande danach beurteilt würden, was wir für dieses Land zu tun versuchten. Ich stellte mich und mein Nachdenken zur Disposition. Auf Land und Leute hatte ich mich eingestellt.
November 1989
Wenn du immer wieder auÃerhalb der Gesellschaft lebst, auÃerhalb ihrer Meinungen, auÃerhalb ihrer Gewohnheiten, auÃerhalb ihrer Sinngebung, kommt dir ihr Verhaltenskodex unlogisch vor. Wie oft bin ich am Südtiroler-Sein schier verzweifelt!
Dezember 1989
40 Tage lang sollte dies anders sein.
Viele Aufgaben, die wir im Rahmen des Rundmarsches nicht selbst bewältigen konnten, hatte ich vergeben. Paul Hanny, Produzent der Rundreise, konnte ich vertrauen. Ruth Ennemoser, jetzt seine Sekretärin, hatte Termine mit Gesprächspartnern koordiniert, detaillierte Informationen zu Themen der Berglandwirtschaft, des Fremdenverkehrs, der Grenzbestimmung, des Wasserhaushalts, der Weinwirtschaft, der Verkehrsproblematik eingeholt.
Ich war zwar derjenige, der alle Fäden in der Hand hielt, konzentrierte mich aber ganz auf die Wegstrecke, das einzelne Gespräch, die einzelnen Menschen.
Ich war auf ein halbes Hundert Helfer, Zuträger, Logistiker angewiesen und setzte mich doch nur jeweils mit dem auseinander, was gerade bei mir war. Als »Generalunternehmer« war ich Systemintegrator und Verantwortlicher. So entstand die Aktion zuerst als Puzzle in meinem Kopf, dann auf dem Papier.
Für diesen Grenzmarsch waren wichtige und unwichtige Dinge gleichermaÃen koordiniert worden. Zu guter Letzt war es immer meine Schuld, wenn etwas nicht klappte: wenn der Fotograf auf der
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