Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers
Heimreise über den Khunjerabpass und den Norden von Pakistan kann beginnen. Ich plane einen Takla-Makan-Solo-Trip.
Winter 1991
Der Solo-Trip in der Wüste Takla Makan misslingt. Im Winter 1991 aber reise ich mit meiner Familie in die Wüste Thar nach Rajastan in Indien. Vor allem mein Sohn Simon begeistert sich dabei für Sand und Kamele. Wir planen eine Reise in die Sahara.
1999â2004
Da ich die fünf Jahre zwischen 1999 und 2004 im Europaparlament sitze, bleibt wenig Zeit für Expeditionen. Auch wenig Raum für Gestaltung.
Frühjahr 2004
Nach der Durchquerung der Tenerée, dem Herzstück der Sahara in Niger, mit meinem Sohn Simon, bereite ich mich auf meinen längsten Wüsten-Trip vor: 2000 km weit durchquere ich von April bis Juni 2004 die Wüste Gobi der Länge nach. Allein. Ich will sehen, ob ich mit Einsamkeit und Mühe einer Wüstenreise auch allein zurechtkomme. Denn nur, wer es bei sich aushält, ist anderen zumutbar.
2009
Nach Monaten in der Wüste überfällt mich die Erkenntnis, dass die ganz groÃen Abenteuer nicht mehr möglich sein werden. Der Prozess des Alterns wird meine neue Aufgabe. Damit wachsen mir ganz neue Herausforderungen zu â eine Museumsstruktur zum Thema Berg, der Film. Geistige Ziele sind ebenso kühn wie sportliche. Froh darüber, dass ich gelernt habe, Ideen in die Tat umzusetzen, gestalte ich also weiter.
»Ein Team hat immer eine Führung; zumeist stillschweigend. Die Führung übernimmt die psychischphysisch stärkste Persönlichkeit.«
Leadership
A ls 1954 eine italienische Expedition zum K2 aufbrach, hatte es im Vorfeld A Streit um das Leadership gegeben. Es war nicht der erste Versuch am zweithöchsten Berg der Erde. Drei amerikanische Expeditionen mit zwei exzellenten Leitern, Fritz WieÃner und Charles Houston, waren gescheitert. Ardito Desio, der Leiter der Expedition 1954, war kein extremer Bergsteiger. Er war Wissenschaftler (Geologe). Aber er war überzeugt, dass der K2 besteigbar sei. Er hat das Unternehmen von unten geleitet, mit »starker Hand«, wie es in allen Berichten heiÃt.
Ich behaupte, dass sein Geist entscheidend war. Ardito Desio blieb fähig â obwohl älter als seine Mannschaftsmitglieder und diesen an bergsteigerischem Können unterlegen â, seine Ãberzeugung, dass der K2 machbar war, zu vermitteln, bis es gelang. Desio hat die Expedition nicht deshalb zu einem erfolgreichen Ende gebracht, weil er autoritär führte, sondern auch, weil er zugänglich war für die Ideen der Mannschaftsmitglieder. Er fand das richtige Mittelmaà zwischen Dirigismus, Anreiz, Eigenverantwortung der Teilnehmer. Im richtigen Augenblick hat er die Führung im Gipfelteam an einen Co-Leader, Achille Compagnoni, übertragen, der den Gipfel zusammen mit Lino Lacedelli erreichte. Es hat auch nach der Expedition Diskussionen um Desios Führungsstil gegeben. Der berühmt gewordene Walter Bonatti â ein Ausnahmebergsteiger der Fünfzigerjahre â scheint heute noch nicht mit der erfolgreichen Strategie Desios zurechtgekommen zu sein. Seit 40 Jahren polemisiert er gegen einen Erfolg, zu dem er wesentlich beigetragen hat. Als ob der Gipfelgang von Compagnoni und Lacedelli unmoralisch gewesen wäre!
Ardito Desio hat ein WeiÃbuch geschrieben, um sich zu verteidigen. Bonatti hat diesem mit seinem WeiÃbuch »den Prozess gemacht«.
Ich bin überzeugt davon, dass bei der K2-Expedition 1954 kein italienischer Expeditionsleiter diese national gefärbte, mit starken Individuen besetzte Gruppe zum Gipfel hätte führen können auÃer Ardito Desio. Er war der Leader. Während der Expedition hat keiner daran gezweifelt. Dass nachher alle gerne zum Gipfel gekommen wären und sich jeder als Vater des Erfolges empfand, störte Desio nicht. Er hatte den Erfolg herbeigeführt. Und das allein war seine Aufgabe gewesen. Ein Leader kann von seiner Frau-/Mannschaft während des Unternehmens zur Rede gestellt werden; hinterher nur, wenn er gescheitert ist. Der Erfolg gibt ihm recht.
Das Team habe ich immer definiert als eine Gruppe von Menschen, in der jeder Einzelne mit der gleichen Vehemenz dasselbe will. Auch wenn es sich nur einer ausgedacht hat. Dieser eine ist normalerweise der Leader.
Das »Konzept« allein aber reicht nicht aus für kontinuierliche Führungsstärke. Führen heiÃt auch Ideen einsammeln, die
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