Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers
als jede andere intensive Tätigkeit.
Ich werde in den nächsten Jahren vermutlich nicht an einem Herzinfarkt sterben, und der Manager wird nicht erfrieren. Denn jeder riskiert in seiner Sparte auf seine Weise seinen Absturz. Nur ist der mögliche Infarkt nicht sichtbar wie ein 3000-Meter-Abgrund. Und dies ist mein Vorteil. Ich bin mit meinen Gefahren direkt konfrontiert. Wenn ich durch die Stadt gehe, sehe ich die Dachziegel nicht, die mir auf den Kopf fallen können. Auch nicht alle groÃen Bedrohungen, denen die Menschheit entgegenschlittert.
Wir stecken globalen Gefahren gegenüber gerne den Kopf in den Sand und spielen »Mensch ärgere dich nicht«. Wir sind gefährdet, wie noch nie eine Menschheit gefährdet war. Die möglichen Umweltkatastrophen, die auf uns zukommen, sind tödlicher als Steinschlag und Lawinen. Nicht für eine Person, sondern für Millionen, ja Milliarden von Menschen. Diese Gefahren bewusst zu machen ist eine Aufgabe, sie global abzubauen unsere Pflicht. Das sind die groÃen Berge, die es zu versetzen gilt.
Neben dem Einschätzen von Gefahren kann der »Normalbürger« noch etwas vom Bergsteiger lernen: den Verzicht. Das freiwillige Sich-Einschränken ist ein Gebot der Stunde. Was Religionsstifter geschafft haben, kann der Staat offensichtlich nicht leisten. Es fehlt an Visionen. Wir brauchen keine neuen Religionen und Sekten, wir brauchen starke Persönlichkeiten, die zeitbezogene Lebenshaltungen verbreiten können, weil sie sie selbst verkörpern, vorleben. Dass die Menschheit noch etwas länger in Frieden und relativ »gesund« weiterleben kann, ist eine Herausforderung an uns alle.
In diesem Zusammenhang sind Fantasie und Leader gefragt. Weltweit. Für Defensivdenker ist es zu spät. Es geht jetzt um Kreativität und nicht nur um die Schwachstellen der anderen Ideen. Also weg mit allen festgeschriebenen Hierarchien! Der Leader wohnt bei einer Expedition nicht im gröÃeren Zelt. Der Konzernchef sitzt nicht im obersten Stockwerk. Er ist einer unter vielen. Seine Stimme aber bewirkt mehr. Wem Führung übergeben wird und wer bereit ist, Führung zu übernehmen, übernimmt Verantwortung über sein Haus hinaus. Er spricht für die anderen als Vertreter einer Gruppe und als Teil des Ganzen. Er verkörpert die Konzern-Gruppenkultur und ist ein Baustein in dem Konglomerat, das ich als jeweilige Weltethik bezeichnen möchte. Wenn es zu einer anderen Kultur am Ende der Machtpolitik, in der sich vielfach Machtmenschen an die Spitze gestellt haben (die Kaiser waren »gottgewollt«, die patriarchalischen Konzernleiter hatten das Geld, die Regierungschefs den Segen einer groÃen Partei), kommen soll, müssen die Leader von morgen fähig sein, gegen die groÃen Gewohnheiten zu inspirieren.
Was die groÃen Probleme dieser Erde angeht, helfen in der Debatte um die besten Lösungen weder Statistiken noch Slogans. In einer multipolaren Welt scheitern die allermeisten Vorsätze an wirtschaftlichen Realitäten. Die Klimadebatte führt uns zum Aussterben der Arten und zu sozialen Spannungen. In der Energiedebatte geht es um Rohstoffe oder bessere Technologien. Alle wollen zwar handeln, aber keiner weià wie. Alle haben recht, aber kaum jemand weià weiter. Die Klimakonsensbekenntnisse und der Wettlauf um die Rohstoffe lassen uns abstumpfen. Wer die drohenden Gefahren nicht am eigenen Leib erfährt, nimmt sie nicht wahr. Ob er sich anpassen will oder kann â an andere Umweltbedingungen, an andere Rahmenbedingungen im globalen Wirtschaftsgebaren? Kaum. Wir Menschen speichern Erfahrungen nur dann und anders als übernommene ab, wenn wir sie selbst gemacht haben. Damit erst lernen wir, uns anzupassen und neue Lösungen zu suchen. Erstmals aber hat die Menschheit diese Erde zu einer von ihr selbst beeinflussten Realität gemacht, und nur in Gesamtheit kann und muss sich diese Menschheit an die sich unter ihrem Einfluss wandelnden Erde anpassen. Eine Unmöglichkeit? Hoffentlich nicht.
»Der Mensch kann alles, was er will. Ein gesunder Mensch aber will nur, was er kann.«
»Es ist nicht wichtig, ob das, was ich tue, gelingt. Ich bin unterwegs. Das allein zählt.«
XII
Die Natur ist immer kreativ
⢠Kreativität ist Spiel.
⢠Nomadentum und Arbeit.
⢠»Arbeit« beginnt mit Sesshaftigkeit â damit Verlust an Kreativität.
⢠Nicht frei von etwas
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