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Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Titel: Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BLV Buchverlag GmbH & Co. KG
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Wasserstelle aus. Nach einer knappen Mittagsrast machen wir um 16 Uhr halt.
    Sofort graben zwei der jungen Treiber in einer tiefen Mulde (daneben steht ein Tamariskenstrauch) nach Wasser. Einige von uns helfen kurz bei der anstrengenden Arbeit. Plötzlich Feuchtigkeit. In 1,80 Meter Tiefe sickert genügend Wasser in die Wanne (am Boden 1,20 × 1,20 Meter breit).
    Wieder erleben wir einen ruhigen, windstillen Abend. Alles ist warm, weit und weich. Die Sonne geht unter, und eine Stunde später kommt der Mond. Bei diesen Verhältnissen hat die Takla Makan keine todesintensive Ausstrahlung. Ein Ort, um sich fallen zu lassen. Die Landschaft erscheint mir nicht tot, öde oder leer. Sie gehört zu den friedlichsten unseres Planeten. Sind die oft beschriebenen Schrecken dieser Flugsandwüste also nur eine Fiktion, ein Angstbild?
    Wieder ein herrlicher Tag. Die getränkten und (mit Mais und Heu häcksel) gefütterten Kamele laufen etwas schneller als bisher. Wir lagern in einer der vielen Längsmulden, die sich von Süden nach Norden erstrecken. Vereinzelt noch Tamarisken. Die Kamelführer tragen einen Haufen Holz zusammen und feuern bis spät in die Nacht hinein. Die Gruppe macht einen zufrieden-müden Eindruck. Alle wissen, dass wir so gut wie durch sind. Der Rückweg wäre in jedem Fall länger.
    15.10.1992
    Welch ein Unterschied zwischen einem Wüstentrip und der Antarktis-Durchquerung! Hier in der Takla Makan fühle ich mich geborgen, nicht ausgesetzt. Vielleicht ist es nur die große Karawane, die Sicherheit gibt. Jedenfalls kommen Sorge oder gar Angst nicht auf. Es fehlt nur an Trinkwasser. Ansonsten ist diese Wüste bewohnbarer als eine moderne Großstadt.
    16.10.1992
    Relativ langer Tag. Jeder macht Experimente, jeder übernimmt Führungsaufgaben. Keiner ist überfordert. Sollte die Unternehmung auch länger dauern als angenommen, wir würden eben ein paar Tage länger laufen. Das Zugehörigkeitsgefühl wächst mit den Widerständen und freiwillig übernommenen Aufgaben.
    17.10.1992
    Marsch bis Mazar-tagh. Langer Tag.
    Ã–fter jetzt Terrassen von horizontal geschichteter Tonerde in den Senken, die von der Ferne Häuserreste suggerieren.
    Am Ende laufen wir quer über die ausgetrocknete Flussfläche des Khotan-darja (etwa 9 Kilometer breit), vorbei an mehreren Inseln und durch eine Serie von Galeriewäldern. Von Weitem schon ist eine Festungsmauer auf dem roten Felsen (Stirnseite) von Mazartagh zu erkennen.
    18.10.1992
    Fahrtnach Norden, Richtung Aksu. Die chinesischen Betreuer drängeln. Verfrühter Aufbruch.
    Hektischer Abschied von den Kamelführern. Mit Mühe nur kann ich die verantwortli-chen Chinesen dazu bewegen, den von uns eingesammelten Müll auf den nachkommenden Lastwagen zu laden.
    Auf vier Jeeps verteilt, fahren wir los. Keine Koordination. Ein Buran (Wirbelsturm) hat die sonst gleißende Wüste in Dämmerlicht getaucht. Wir verfahren uns – Nebel, Spurengewirr – und kommen nach etwa 60 Kilometern wieder auf die richtige Spur. Mit Suchen und Zögern verlieren wir etwa drei Stunden. Bis zum Abend immer Dunst und Nebel.
    Alle sind hungrig, verstaubt, seit zehn Tagen ungewaschen. Ein solcher Tag ist schlimmer als eine Woche in der Wüste.
    19.10.1992
    Fahrt nach Aksu. Immer noch ist die Luft staubschwanger, der Himmel zu. In einigen Hundert Metern Entfernung nur noch Grau. Aus diesem Grau auftauchende Gegenstände – ein Stück Galeriewald, ein Eselskarren – kommen uns unheimlich entgegen und verschwinden ebenso seltsam wieder.
    Bis Mittag läuft alles reibungslos. Obwohl unser Truck in den stündlich eingelegten Wartepausen nicht aufschließt, fahren wir weiter. Stück für Stück. Dann treffen wir am rechten Ufer des Khotan-darja auf ein Camp von Erdölsuchern (etwa 25 Wohncontainer).
    Am Nachmittag verlieren wir uns in zwei Konvois. Erst spät kommt die größere Gruppe ins Hotel.
    20.10.1992
    Fahrt nach Kashgar. Der Ärger über die nächtliche Irrfahrt wird am Vormittag überlagert von weiterem Ärger. Die Organisatoren versprechen uns ein Fahrzeug. Aber stundenlang kommt kein Bus. Die Jeepfahrer verweigern sich.
    Dieses Ausgeliefertsein führt uns wieder näher zusammen, nachdem sich einige (bei der Fahrt aus der Takla Makan heraus) im Stich gelassen gefühlt hatten. Wir ertrotzen uns die Weiterfahrt und sind knapp vor Mitternacht in Kashgar. Die

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