Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers
unterbezahlt. Zudem stehen die Kamele am falschen Platz. Das alles bedeutet, dass auch ihr auf die geplante Durchquerung verzichten müsst.«
Die Mannschaft weiÃ, wie und wo uns die Organisatoren »betrügen« können. Wir besprechen also Strategien, um die Chinesen zu ihren versprochenen Leistungen zu zwingen. Ein Problem dabei liegt darin, dass wir im Auto von Turfan nach Kashgar unterwegs sind und so keinen Einfluss auf die Vorbereitungen in der Wüste nehmen können.
Besuch der Höhlentempel von Bezeklik, der Ruinenstadt Gaochang (1. Jh. v. Chr.), der Gräberstadt Astana, der Ruinenstadt Jiaohe (das lokale Museum). Prekäre Realität: Was an Kunstschätzen nicht von den »Archäologen« um die Jahrhundertwende auÃer Landes gebracht worden ist, wurde während der Kulturrevolution zerstört.
Die Informationen unserer Reiseführer sind gut, aber immer noch dem politischen System entsprechend gefärbt.
3.10.1992
Fahrt von Turfan nach Korla. Start nach einem kargen und verspäteten Frühstück. Zuerst durch Schotterwüste (Gobi), dann über mehrere Bergrücken nähern wir uns dem Fluss Tarim.
Die Welt ist trostlos â ohne Sträucher, ohne Gras, ohne Tiere â, strahlt aber Harmonie aus. Wo wir über SchotterstraÃen fahren, stimmen die Farben nicht. Mittagessen in einem kleinen Laden am StraÃenrand. Diese Karawansereien sind überall ähnlich: in Tibet, in Pakistan, in der Sahara. Auch die Menschen gleichen sich in ihrer flüchtigen Neugierde.
Am Nachmittag fahren wir durch eine Reihe von Oasen. Pappelalleen kündigen sie an. Durch Pappelalleen, gesäumt von Bewässerungsgräben, verlassen wir sie wieder.
4.10.1992
Fahrt von Korla nach Aksu, immer den Tarim entlang.
Die Landschaft wechselt ständig: Oasen, Steinwüste, Dünen. Links von uns die Ebene, die sich bis in die Takla Makan verliert, rechts die Ausläufer des Tienschan. Am späten Nachmittag ragen plötzlich ein paar Schneegipfel über den fernen Haufenwolken auf. Die Mannschaft ist guter Dinge, weil alles nach Plan läuft. Das Gepäck ist nachgekommen, und unsere Kamele sollen auf dem Weg nach Kara-dong sein. Sie müssen eine Woche lang durch die Wüste laufen, wenn wir die Durchquerung von Süden nach Norden (einzige Chance jetzt) machen wollen. In Kashgar soll ich genauere Informationen bekommen.
5.10.1992
Fahrt von Aksu nach Kashgar. Im Hotel muss schnell eine Logistik für die Wüstendurch-querung erarbeitet werden. Wider Erwarten scheinen alle Probleme lösbar. Am 20. Oktober müssten wir zurück in Kashgar sein.
Wir wollen alle gemeinsam durch die Wüste; die Mannschaft ist ein Team. Jeder denkt mit, Pünktlichkeit ist selbstverständlich, Disziplin auch. Dieses positive Nebeneinander funktioniert ohne Regeln. Trotzdem hat jeder Teilnehmer die gröÃtmögliche Selbstständigkeit.
6.10.1992
Kashgar. Wir packen für die Wüste. Ich gebe die Order aus, dass im Notfall jeder seine Habe selbst tragen können muss.
7.10.1992
Fahrtvon Kashgarnach Khotan. Häufig stehen Windhosen überdem heiÃen Sand in der Wüste. Ein Vorgeschmack auf die Takla Makan. Vom Auto aus allerdings machen weder Ferne noch Stille Eindruck.
8.10.1992
In Khotan erfahre ich, dass die Strecke Aksu-Khotan und umgekehrt (StraÃedurch die Takla Makan) seit Oktober ohne Probleme zu befahren ist. Abgesehen von Sandstürmen, dürfte es also keinerlei Probleme geben. Vorausgesetzt, alle in der Kette der Helfer (Jeepfahrer, Kameltreiber, Organisatoren) sind guten Willens.
9.10.1992
Aufbruch in die Wüste. Mit vier Jeeps und einem chinesischen Truck geht es 180 Kilometer weit nach Osten, bis Yutian (dazwischen Mittagessen in Qira). Bis zum Sonnenuntergang schaffen wir noch 90 Kilometer Sandweg zwischen Wüste und Kerya-daria-Fluss-bett.
Am Lagerplatz, bei einem Wüstenclan (zwei Häuser, drei Familien, 100 Schafe), warten wir auf den Truck, der stundenlang nicht kommt.
Wir lagern auf einem freien Platz. Er ist von niederem Schilfgras umgeben. Vereinzelt stehen Tamarisken, dahinter die Dünen. Noch sind wir am Rande der Wüste. Häufig fahren Holzsucher mit Eselskarren und Trucks an uns vorbei. Unsere eigenen Fahrzeuge verdecken die Stille, auch wenn sie stehen. Die Fahrer zwingen uns ihren Rhythmus auf.
Einen Tag noch zwischen Technologie und Wildnis â dann werden wir wegtauchen in die Takla
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