Berger, Fabian
Sekretärin.
»Was wollen die denn von mir?«
»Keine Ahnung«, erwiderte sie. »Soll ich Ihnen die Nummer durchgeben?«
»Ja.« Der Professor notierte sie auf dem vordersten Blatt seines Vortrags, beendete das Gespräch und tippte die Ziffern in sein Handy. Nach wenigen Freizeichen wurde sein Anruf entgegengenommen und ein Mitarbeiter stellte ihn zu Lorenz durch.
»Hier ist Professor Sebastian Braun vom Forschungsinstitut für Neurologie in Köln. Sie wollten mich sprechen?«
»Guten Tag, Herr Professor«, begrüßte er Braun. »Ich danke Ihnen für Ihren Rückruf. Es geht um Folgendes: Wir benötigen für unsere Ermittlungen in einem Mordfall die Unterstützung eines Spezialisten auf dem Gebiet der Neurologie. Könnten Sie sich vorstellen, diese Aufgabe zu übernehmen?«
»Um was geht es denn genau?«
»Ich kann am Telefon leider nicht auf Einzelheiten eingehen. Ich hoffe Sie haben dafür Verständnis. Nur so viel: Sie müssten in der Pathologie des Instituts für Rechtsmedizin einen Leichnam sichten. Wären Sie damit einverstanden?«
Braun schwankte. »Und wann?«
»Sobald wie möglich. Am besten noch heute.«
»Da muss ich Sie leider enttäuschen. Ich bin zurzeit auf einem Kongress in Köln.«
»Das macht nichts. Es würde auch nicht lange dauern. Sie wären innerhalb einer Stunde wieder zurück.«
»Also gut«, stimmte der Professor zu. »Sagen wir morgen früh um 9:00 Uhr. Könnte mich jemand in der Glasgalerie des Maritim abholen?«
»Selbstverständlich.«
Braun beendete das Gespräch. Er atmete ein paar Mal tief durch und betrat den Konferenzsaal aufs Neue.
-16-
M aria Korte war zusammengebrochen. Die Nachricht vom unerwarteten Tod ihres Sohnes hatte sie vollkommen entkräftet. Auf Knien hockend fing sie bitterlich an zu weinen und hielt sich die Hände vor das Gesicht. Ihr Mann versuchte sie zu beruhigen, doch die Frau war tief in ihrer Trauer versunken. Von einem Moment auf den anderen verstummte sie plötzlich. Zitternd richtete sie sich wieder auf und schlurfte aus dem Zimmer. Lorenz machte einen Schritt auf sie zu, doch Hans Korte hielt ihn zurück.
»Sie braucht jetzt Ruhe«, flüsterte er mit brüchiger Stimme. Auch ihm standen die Tränen in den Augen. »Wie ist es passiert?«
»Ihr Sohn ist in seiner Wohnung ermordet worden.«
Der Alte zuckte erschrocken zurück. »Oh mein Gott!« Gebeugt ertastete er den Wohnzimmersessel hinter sich und ließ sich hineinfallen. »Und wann?«
»Das können wir nicht genau sagen. Wir schätzen zwischen Samstag und Sonntag.«
Korte rang nach Fassung. »Ich verstehe.«
»Können Sie sich vorstellen, wer so etwas getan haben könnte? Ich meine, hatte Ihr Sohn Feinde, oder gab es andere Probleme?«
Korte suchte nach einer Antwort und schüttelte schließlich den Kopf. »Nein. Jens ist ... war der beste Junge, den man sich vorstellen kann. Er war ausgesprochen anständig, zu jedem freundlich. Niemand, wirklich niemand könnte einen Grund gehabt haben, ihm etwas anzutun, geschweige denn ihn zu ermorden.« Er schaute nachdenklich zu Boden. »Oft habe ich mich gefragt, womit ich diesen Jungen bloß verdient habe. Sie müssen wissen, dass mein Leben nicht immer einfach gewesen ist. Als Jens zur Welt kam, waren meine Lebensumstände, sagen wir mal, nicht gerade geeignet, um ein Kind großzuziehen. Doch mit seiner Geburt veränderte sich alles. Kennen Sie das, Herr Kommissar?« Er verzog den Mund zu einem schwachen Lächeln. Seine Lippen bebten.
»Gewiss. Ich habe eine Tochter.«
»Dann wissen Sie ja, wovon ich rede. Meine Frau und ich haben wirklich viel dafür getan, dass es unserem Jungen gut ging. Vor wenigen Monaten erkrankte er an Krebs. Ich weiß noch, wie er dort saß und uns die Diagnose mitteilte.« Er deutete auf Lorenz’ Platz. »Wir waren vollkommen fertig. Als würde uns jemand den Boden unter den Füßen wegziehen. Natürlich haben wir uns unsere Sorgen nicht anmerken lassen. Wir wollten ihn schließlich nicht noch zusätzlich belasten. Sie müssen wissen, dass die Heilungschancen bei dieser Art von Gehirntumor, normalerweise sehr gering sind. Doch dann hörte er von einer neuartigen Therapie. Er hatte ja nichts mehr zu verlieren, denn sein Gesundheitszustand verschlechterte sich täglich.« Korte sah Lorenz eindringlich an. »In seiner Situation hätten Sie ebenso nach jedem Strohhalm gegriffen und jede Gelegenheit genutzt, die Ihnen angeboten worden wäre. Meine Frau und ich standen der Sache allerdings sehr realistisch gegenüber.
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