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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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Alessandro entblößte seinen Oberkörper und schloß die Augen vor der blendenden Sonne. Es war ein friedlicher Julitag, und am liebsten würde er sich ewig treiben lassen. Er hörte einen Schrei wie von einem Kind, und als er seine Augenlider einen Spalt öffnete, sah er eine Möwe über ihm fast bewegungslos im Wind stehen und ihn beobachten. Damals, vor vielen Jahren, riß der Wind die Möwen über ihnen weg, als während der heftigen Tramontana ihr Boot zu kentern drohte und Angelo über Bord ging. Noch heute fühlte Alessandro die Todesangst, die ihn erfaßte. Er mußte Wasser aus dem Boot schöpfen, sonst wäre es mit ihm untergegangen, und wollte gleichzeitig Angelo retten. Und er rettete ihn dann auch, indem er ihm die Hand hielt und ihn langsam ins Boot zog, obwohl es beinahe gekentert wäre und sie beide hätten ertrinken können. Alessandro wußte nicht, ob Angelo seiner Mutter je das Geschehen im einzelnen berichtet hatte, aber ihm warf er auf jeden Fall eine Weile vor, ihn absichtlich in den aufgewühlten See gestoßen zu haben. Als sie dann älter wurden, sprachen sie nicht mehr darüber. Alessandro vergaß es auch, wie so vieles aus seiner Kindheit. Zu lange lag es zurück. Aber heute, gerade heute, tauchten die Erinnerungen in einer Klarheit auf, als sei er mit seinem Bruder erst gestern in den Sturm geraten.
    Alessandro ruderte ein Stückchen weiter. Er wollte an etwas anderes denken. Er wollte an Silvia denken, die er ebenfalls gerettet hatte und die ihm noch etwas schuldete. Und die er liebte. Zu lange hatte er seine Gefühle geleugnet, aber nun brachen sie mit Macht hervor. Gott wollte ihn jedoch prüfen. Oder, wenn es keinen Gott gab, das Schicksal. Das Schicksal stiftet Unglück , damit wir besser unseren Wert erkennen können , hatte Horaz geschrieben; es klang Alessandro wie Hohn in den Ohren. Der Tod hielt reiche Ernte in seiner Familie. Vielleicht wählte er ihn als nächsten aus. Oder seinen inzwischen kränkelnden Vetter Pietropaolo. Würde er ihn beerben, hätte er endlich genügend Einkünfte, um seine Stellung als Kardinal richtig ausfüllen zu können – solange ihn der Borgia ohne nennenswerte Benefizien ließ. Nachdem nun auch noch Giulia von ihrem kurialen Liebhaber knapp gehalten wurde … Die Schulden des neuen Palazzos … Seine Lage wurde immer auswegloser. Und wenn ihn nun der morbo gallico heimsuchte und nichts half, ihn am Leben zu halten? Oder die Pest? Oder die mal aria , die jeden Sommer in Rom ihre zahlreichen Opfer forderte? Er war jung und stark, aber gegen die Heimtücke von Krankheiten konnte er ebensowenig ausrichten wie gegen die Heimtücke von Männern, die mächtiger waren als er. Starben die männlichen Glieder der Familie Farnese, fiele das Lehen an die Kirche zurück, der Name Farnese verschwände. Dies mußte er sich immer wieder sagen. Dies erschien wie ein Menetekel an den hohen Mauern von Capodimonte und an den neu gemauerten Wänden seines Palazzos. Es gibt nur noch Pietropaolo und dich! Der Borgia würde heimlich triumphieren und mit Stolz auf Cesare, Juan und Jofré schauen. Die Orsini mit ihrer Unzahl an Söhnen würden Krokodilstränen heucheln und sich insgeheim die Hände reiben, weil sie nun im nördlichen Latium die einzige maßgebliche Adelsfamilie waren.
    Noch immer begleitete Alessandro die Möwe. Eine Weile war sie verschwunden, aber kurz darauf wieder aufgetaucht. Er winkte ihr zu, sie reagierte nicht. Weiß und rein schwebte sie im Licht der Sonne, wie ein Engel. Vielleicht war sie ein Engel. Zwischen Himmel und Erde schwebten schon immer Wesen, die alle Schulweisheit nicht erklären konnte.
    In den letzten Tagen hatte Alessandro sich keine Tageshoroskope legen lassen, weil sein neuer Astrologe in Rom wohnte. Insgesamt konnte er zufrieden sein mit seinem Geburtshoroskop. Der dickliche Glatzkopf hatte ihm günstige planetarische Konstellationen nachgesagt, sein medium coeli insbesondere verheiße eine letztlich erfreulich verlaufende Entwicklung seines Lebenswegs. Als Alessandro genauer nachfragte, studierte der Glatzkopf seine Tabellen, Zeichen und Zahlen und verlangte schließlich mehr Geld. Es war immer dasselbe mit den Sternlesern, Chiro- und Nekromantikern, den Wahrsagern und Anhängern der Magie: sie gierten nach Geld. Und günstige Auskünfte waren ausnahmslos besonders teuer.
    »Der Wunsch Eurer Mutter«, sagte der Glatzkopf und schaute ihn forschend an.
    »Wahrscheinlich wünscht sie, daß ich Papst werde.« Alessandro mußte

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