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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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und Alessandro zu.
    »Grüße von Kardinal della Rovere und seine tiefempfundene Anteilnahme. Du weißt, daß er sich in Frankreich aufhält. Als einer der ersten erfuhr er von Angelos Tod. Ein Zufallstreffer, völlig ungezielt. Vielleicht ist Angelo sogar von einer italienischen Kugel getroffen worden. Seine ganze Truppe raffte schon das Beutegut an sich, er allein wollte noch kämpfen. Ach Gott …« Ugo seufzte, dann wischte er sich seine Augen trocken.
    Alessandro nickte nur. Dann stießen die Boote vom Ufer ab. Alessandro ruderte mit Accurse, Ugo und Angelos Knappen den Sarg zur Insel. Dort zog er sich um und hielt, assistiert von Onkel Caetani, die Totenmesse. Es war ein strahlender Tag, und obwohl schon Juli, schmetterten die Vögel der Insel ihren Gesang über das Grab, in das Angelo gesenkt wurde, und ein spätblühender Jasmin verströmte einen bedrängendsüßen Duft.
    Auch als die Trauergemeinde zum Mahl beisammen saß, blieb die Stimmung gedämpft, fast stumm. Giulias Gesicht war, soweit man es hinter dem Schleier erkennen konnte, voller Tränen. Die Mutter sprach noch immer nicht, bis auf einen Satz, den sie an Alessandro richtete: »Du bist jetzt das Oberhaupt der Familie.« Und dieser Satz klang wie ein Vorwurf.
    Alessandro wäre am liebsten sofort nach Rom geflohen. Dort mußte ihn Silvias Antwort erwarten. Dort konnte er noch am ehesten dem Druck ausweichen, der plötzlich auf seinen Schultern lag. Und dem unausgesprochenen Vorwurf seiner Mutter, die ihren Lieblingssohn verloren hatte. Der Allmächtige hatte ihre Pläne durchkreuzt und den Zweitgeborenen, den Kirchendiener, zum Erben bestimmt. Ob sie schon fassen konnte, was dies bedeutete?
    Alessandro pickte sich ein paar Oliven von seinem Teller, während Ugo und Accurse zu seiner Rechten die neuesten Nachrichten von den Erzfeinden Borgia und della Rovere austauschten. Giulia zu seiner Linken berichtete ihm gleichzeitig, sie sehe Rodrigo gelegentlich und man gedenke der alten Zeiten, in denen Herz und Schatz noch nah beieinander wohnten. Ansonsten bestimme die Politik zur Zeit sein Leben.
    »Er ist mir entglitten«, flüsterte sie Alessandro zu, »und ich werde alt.«
    »Du bist noch immer schöner als jede andere Frau in Rom«, antwortete Alessandro ohne Überzeugung in der Stimme.
    »Ich hatte Silvia am Grab erwartet«, wechselte Giulia das Thema, »auch euren Freund Crispo.«
    »Sie wollen heiraten.«
    »Ich weiß.«
    Alessandro schaute Giulia ins Gesicht, um zu sehen, wie sie das knappe und kühle Ich weiß meinte, aber seine Schwester verbarg nun perfekt ihre Gefühle. Während er Giulia noch prüfend anschaute, hörte er Accurse zu Ugo sagen: »Ich bin Vater geworden. Ein Sohn. Ich habe ihn Jean genannt, oder Gian, wie die Italiener sagen. Ich werde ihn adoptieren.«
    »Und die Mutter?« fragte Ugo.
    »Ich werde sie nach Deutschland zurückschicken. Oder auch mit einer kleinen Geldsumme abfinden. Eine Hure darf meinen Sohn nicht aufziehen.« Alessandro wollte sich gerade in das Gespräch seiner Freunde einmischen, als Giulia sagte: »Ich hatte wieder eine Fehlgeburt. Du hast die Chance verpaßt, ein zweites Mal Onkel zu werden.«
    Alessandro brauchte eine Weile, bis er antwortete. »Und wer wäre der Vater gewesen?«
    Giulia zögerte kurz, lächelte dann schmerzlich. »Seine Heiligkeit.«
    »Vielleicht ist es gut so. Der Oberpriester der Christenheit hat schon genügend Bastarde.«
    Alessandro hatte mit harscher Stimme geantwortet. Giulia schaute ihn betroffen an, verdeckte dann ihr Gesicht mit dem Schleier.
    Er erhob sich. Er hielt diese Trauergesellschaft nicht mehr aus. Es war einfach unmöglich, daß er weiter Konversation trieb und sich die Nachrichten von anderer Leute Kinder anhörte. Daß er sich nach Silvia fragen ließ. Daß die Mutter vorwurfsvoll schwieg. Daß die Vögel sangen, statt tot vom Himmel zu fallen.
    Ohne irgend jemand zu benachrichtigen, ging er zur Anlegestelle, zog seine Kardinalsrobe aus und ließ sich einen einfachen Kittel reichen. Er nahm sich ein kleines Boot und ruderte allein auf den See hinaus. Nach einer Weile ließ er sich auf der glitzernden Wasserfläche zwischen Capodimonte und der Isola Bisentina treiben. Es war ihm gleichgültig, wenn die Trauergemeinde ihn vermißte. Er hatte seine Pflicht getan, die Messe gelesen und seinem Bruder einen würdigen Abschied ermöglicht. Mehr war von ihm zur Zeit nicht zu erwarten.
    Das Boot schaukelte leicht, und kleine Wellen schlugen gegen die Holzplanken.

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