Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Eine schreckliche Erlösung.
Noch am selben Tag brach sie mit Rosella und ihren Kindern nach Rom auf. Alessandro war ihr nicht mehr begegnet.
Als sie über die Burgbrücke ritt, sah sie unten am Kai ein Ruderboot anlegen.
»Onkel Alessandro, Onkel Alessandro!« rief Sandro und winkte dem Mann, der das Boot vertäuen ließ. Auch der kleine Tiberio hob sein Ärmchen und winkte.
Silvia wandte sich ab und gab ihrem Pferd die Peitsche.
In Rom fand sie einen Brief von Giovanni vor. Sie brach das Siegel und öffnete ihn derartig heftig, daß das Papier einriß. Ungeduldig legte sie die gezackten Stellen nebeneinander und las. Ihr Ehemann erzählte von Venedig, der »Perle der Adria«. Es gebe in der Stadt viele Künstler, Händler und Huren. Außerdem Betrüger, wie selbst er bei der Niederlassung ihres Handelshauses hätte bemerken müssen. Zu seinem großen Bedauern, denn dadurch gebe es für ihn viel zu tun. Silvia verstehe sicherlich, daß sich sein Aufenthalt in Venedig noch ausdehnen müsse. Es folgte ein Postscriptum, das länger war als der eigentliche Brief und in dem Giovanni Klatsch über venezianische Künstler ausbreitete. Silvia überflog seine Zeilen. Zum Schluß erkundigte er sich formelhaft nach ihrem Befinden und dem Gedeihen der Kinder.
Silvia hätte den Brief am liebsten sofort ins Feuer geworfen. Aber es brannte kein Feuer im Kamin. So riß sie ihn entzwei, faltete ihn aber anschließend wieder sorgfältig und steckte ihn zwischen die Seiten eines Buchs. Gedankenverloren schaute sie aus dem Fenster. Wieder fror sie. In ihrem Kopf sammelten sich keine hilfreichen Gedanken. Alles war erstarrt, düster und schwer.
Während der folgenden Tage sprach Silvia nur das Nötigste mit ihren Kindern. Auch Rosella gegenüber fand sie keine Worte. Wenn ihre ehemalige Kammerfrau abends in ihrem Zimmer erschien, schickte Silvia sie sofort wieder hinaus, bevor sie in Tränen ausbrach. Sie verließ das Haus nicht, ging noch nicht einmal zur Messe. Jeden Besucher befahl sie, abzuweisen, ungeachtet der Person. Nur ihren Beichtvater ließ sie zu sich. Da sie ihm vertrauen wollte, gestand sie ihm ihre Sünde. Ihr wurde das Beten vieler Rosenkränze auferlegt, außerdem Spenden für die Mutter Kirche und eine lange Zeit der Keuschheit. Sie versprach alles, fühlte sich aber nach dem ego te absolvo keineswegs von ihrer Sünde befreit. Und die Ausweglosigkeit schien sie täglich mehr zu lähmen.
Aber dann raffte sie sich doch auf, Michelangelo zu besuchen. Der junge Bildhauer empfing sie bestens gelaunt und führte sie in den hinteren Teil der Werkstatt. Der Stein aus Carrara war schon soweit behauen, daß man die Pietà -Gruppe gut erkennen konnte. Silvia neigte ihr Haupt, so wie es Michelangelos Maria tat, und sah sich wieder mit Alessandro Modell sitzen. Ein warmes Gefühl der Zuneigung überschwemmte sie. Erneut umhüllte sie die Mondnacht auf der Isola Bisentina, sie fühlte sich schweben, in einer unbeschreiblichen Erfüllung …
Als sie wieder zu Hause war, spürte sie zum ersten Mal die Veränderung in ihrem Körper. Am deutlichsten fühlte sie ein Ziehen in der Brust. Natürlich wußte sie, was dieses Ziehen bedeutete. Zumal sie auch schon eine Weile auf ihre unreinen Tage gewartet hatte.
Die erste Reaktion war eine bestürzte Freude. Die zweite eine lebensmüde Trauer. Aber schließlich fühlte sie so etwas wie Erleichterung.
Sie erwartete ein Kind. Sie flüsterte »benedictus fructus ventris tui«, und es war, als würde ihr eine leise Stimme antworten. Sie schaute sich im Raum um: niemand war zu sehen. Sie eilte auf die Dachterrasse. Unter ihr glühte das spätsommerliche Rom herauf mit all seinen unangenehmen Gerüchen, seinen krakeelenden Menschen, den flatternden Tauben. Schnell verzog sie sich wieder in ihr Studiolo, wo sie in den astrologischen Folianten ihres Vaters blätterte. Aber all die Zeichen und Winkel, die Konstellationen und Häuser, die Zahlen und seltsamen Symbole verwirrten sie nur.
Noch am Abend eröffnete sie Rosella, daß sie schwanger sei und daß nur Alessandro Farnese als Vater in Frage komme.
»Die Würfel sind gefallen«, sagte Rosella, und ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, die wohl Lächeln bedeuten sollte.
»Und wenn ich das Kind nicht will?«
»Willst du dich gegen Gottes Willen auflehnen?«
Silvia mußte lachen. Rosella sprach plötzlich wie eine fromme Betschwester. Dabei kannte sie die Mittel, die ihr halfen, das Kind wieder loszuwerden.
»Du weißt, was die
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