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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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Manchmal ruderte er auch wieder mit Giulia zur Insel. Der Wind wehte die Blätter von den Bäumen, und wenn er stärker blies, ächzten die Stämme und Äste, und die steinernen Wände der Villa schienen zu wehklagen. Giulia versuchte, ihn aufzuheitern. Sie sang viel und spielte Laute. Wenn er über den See schaute, zum im Dunst verschwimmenden Ufer, lehnte sie sich an ihn, und er legte seine Arme um sie.
    Nach Wochen düsterer Anwandlungen und der Mutlosigkeit raffte er sich wieder auf, einen Boten nach Rom, zum Rione della Pigna, zu schicken, um zu erkunden, was man sich im Viertel an Neuigkeiten erzähle. Kaum war der Bote wieder zurück, ließ er ihn zu sich kommen und fragte, mit seinen Fingern auf die Stuhllehne klopfend: »Welche Gerüchte gehen um?«
    Der Bote schaute ihn von unten an und grinste breit. »Wer setzt schon auf Gerüchte?«
    Alessandro hätte den Kerl am liebsten geohrfeigt.
    »Es geht das Gerücht«, so bequemte sich der Bote nun doch zu berichten, »daß Silvia Crispo-Ruffini in anderen Umständen ist – obwohl ihr Gatte schon geraume Zeit in Venedig weilt.«
    Alessandro wollte zuerst nicht glauben, was er hörte. Er ließ den Boten die Wahrheit seiner Aussage beschwören, und als dieser seine Worte wiederholte, sprang er auf und konnte seinen freudigen Triumph kaum verbergen. Er entlohnte den widerlich grinsenden Mann reichlich und eilte zu Giulia und seiner Mutter, um ihnen die Nachricht zu überbringen. Giulia teilte seine Freude und gab ihm einen Kuß, die Mutter verzog keine Miene.
    »Wenn es ein Junge wird«, rief Alessandro, »kann die Familie Farnese aufatmen.«
    »Wenn es ein Junge wird«, wiederholte seine Mutter ungerührt, »wird Giovanni Crispo einen dritten Sohn haben.«
    »Nein, nein!« protestierte Alessandro. »Silvia wird meinen ersten Sohn auf die Welt bringen.«
    »Mein Sohn, du kennst die Frauen nicht«, antwortete die Mutter.
    Und dann erhielt er Silvias Brief. Er riß das Siegel auf und rannte in sein Zimmer. Er wagte ihn noch nicht zu lesen und wanderte, um ruhiger zu werden, vom Gebetspult zum Fenster, vom Fenster zum Bett und vom Bett erneut zum Gebetspult. Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Er dachte an all seine Versprechungen und Gelübde, versprach auch, Gott nie mehr zu leugnen, verstärkt Messen in Santi Cosma e Damiano zu lesen und eifrig in der vatikanischen Reformkommission mitzuarbeiten.
    Und dann beugte er sich über den Brief, folgte mit seinen Augen langsam den Schwingungen und Formen ihrer Handschrift, fügte Wort an Wort. Er las etwas von Schuld und Opfer. Ja, Silvia hatte recht, er hatte Schuld auf sich geladen, hatte eine verheiratete Frau verführt, Opfer mußten natürlich gebracht werden, sein alter Freund Giovanni Crispo werde wohl ein Opfer bringen müssen, und die Ehre einer verheirateten Frau … Aber was galt dies alles, wenn zwei Menschen sich liebten! Da stand etwas von Gewissensqualen – ja, das schlechte Gewissen quälte auch ihn, mehr denn je vielleicht. Aber das Glück war doch in greifbare Nähe gerückt, es brach hinter all den dunklen Schatten der Vergangenheit wie die Sonne hinter Gewitterwolken hervor. So mußte es auch Silvia sehen. Sie konnte ihm ihre Liebe nicht direkt gestehen, sie benötigte diese dunklen Wolken, um ihre Gefühle zu verstecken. All dies war verständlich. Doch wann fiel endlich das entscheidende Wort?
    Plötzlich erblaßte Alessandro. Er las Sätze, die wie Blitzschläge niederfuhren. Die Sonne der Liebe schien endgültig verschwunden. Und zum Schluß stand da: Du wirst dein Kind nie sehen dürfen !
    Die Hand, die den Brief hielt, sank nach unten.
    Er wollte nicht glauben, was er gelesen hatte, eine fremde Macht hatte die Sätze gefälscht. Silvia war nicht mehr Silvia, und er nicht mehr er selbst. Das Zimmer erstickte ihn, die Burg von Capodimonte, der Stammsitz der Farnese, ein Gefängnis, nicht besser als die Engelsburg, hochragend, verschlossen, von der Welt abgewandt. Er mußte hinaus!
    Als Alessandro zum Zinnengang eilte, stieß er Giulia fast um.
    »Was schreibt sie?« rief sie ihm nach.
    »Laß mich allein!« schrie er.
    Über ihm der Himmel, nichts als Kälte und Einsamkeit, eine blasse, farblose, undurchsichtige Leere. Unter ihm die fast senkrecht abfallende Burgmauer, von trotzig sich haltenden Pflanzen bewachsen, Zuflucht für Tauben und Krähen, für Dohlen und Fledermäuse. Tiefer noch die sich an den Fels klammernden Häuser des Dorfes und dann die einsam dahindümpelnden Boote auf dem See

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