Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
das sinnlose Leben eines Prälaten. War Kardinal einer der ärmsten Kirchen Roms, war Oberhirte von Bettlern, Ziegenhirten und Straßenhuren, war der Diakon eines Trümmerfelds. Und Mitglied einer Kommission, die die Kirche reformieren sollte, aber keinerlei Befugnisse hatte, ihre Vorschläge in die Tat umzusetzen. Außerdem wuchsen ihm seine Schulden erneut über den Kopf. Der Palazzo in Rom war eine einzige Baustelle, kaum ein Handwerker kam noch, weil er zu selten die Rechnungen bezahlte. Und Rom, was sollte er in dieser stinkenden, dreckigen Stadt voll hochnäsiger Heuchler und raffgieriger Ränkeschmiede?
Rom, das war während der verstrichenen Monate Michelangelo gewesen und Silvia, eine erneut aufkeimende Liebe, die ihn überwältigte, eine Leidenschaft, die an Wahnsinn grenzte. Und als dann Silvia sie in Capodimonte besuchte, klärte sich der Wahnsinn, wandelte sich zu einer heiligen Begeisterung, von der Marsilio Ficino immer gesprochen hatte. Silvia war das Wesen, das ihn täglich mit Begeisterung füllte. Zudem hatte er ihre beiden Jungen lieben gelernt. Nie hätte er gedacht, daß er kleine Kinder, die er bisher immer für herumtollende Tiere hielt, so in sein Herz hätte schließen können. Wenn er mit ihnen spielte, am Wasser, mit den Ritterfiguren, wenn er sie herumwirbelte und mit ihnen auf den Schultern durch die weiten Gänge der Burg galoppierte, dann fühlte er plötzlich Leben.
Aber seit Silvia Capodimonte fluchtartig verlassen hatte, war das Leben aus den Mauern gewichen, die Mutter stieß nur noch graue Prophezeiungen aus und schaute ihn an, als fehle ihm die Kraft, die Familie Farnese am Leben zu erhalten. Dabei war er der Zweitgeborene, und ihr sehnlichster Wunsch hatte ihn zu den Robenträgern getrieben. Er hatte den Purpur gehaßt, diese giftige Farbe, diese Farbe von Schlangenblut. Für die Mutter hatte er Giulia in die Arme eines geilen Wüstlings getrieben. Und die Folgen: Die Falten um ihre Lippen vertieften sich, die Augen wurden trüb vor verborgener Trauer, die Haare, ihre wunderbaren langen seidigen Haare, glänzten nicht mehr. Die meisten Edelsteine waren inzwischen verkauft. Und was waren die Folgen für ihn? Langweilige Sitzungen im Konsistorium, langweilige Messen, sinnlose Untersuchungen und monatlich steigende Schuldenberge. Trotzdem hatte er sich mit alldem abgefunden. Ja, er wollte nun Kardinal bleiben, weil vor ihm noch ein halbes Leben lag und er dieses Leben krönen wollte mit dem Titel des Pontifex maximus. Weil ein Seelenhirte auf jeden Fall reicher werden konnte als ein Schafhirte. Und weil er glaubte, daß er sein Ziel, die Familie Farnese am Leben zu erhalten und groß zu machen, als Kardinal und Papst leichter erreichen konnte denn als mürrischer Grundherr von Capodimonte.
Aber nun stieß ihn Silvias Antwort ins Leere. Du wirst dein Kind nie sehen dürfen ! Die aufkeimende Hoffnung war zunichte gemacht.
Und seine Antwort hieß Cesare. Aut Caesar aut nihil . Der Papstsohn hatte immer gewußt, was er wollte. Auch er war auf Befehl seines Vaters Kardinal geworden, aber er hatte nicht ertragen, eingezwängt zu leben in Kastratenröcken. Er hatte es sich nicht bieten lassen, daß sein Bruder ihm die Liebe des Vaters stahl. Er hatte gehandelt, ohne Skrupel. Und die Folge? Sandte ihn sein Vater ins Exil? Oder vernichtete ihn gar Gottes Bannstrahl? Ließ ER ihn am morbo gallico sterben oder am Gift einer der Kurtisanen, die er erniedrigt, am Degen der Edelleute, die er beleidigt hatte? Im Gegenteil, Cesare legte den Kardinalsrock ab, wurde französischer Herzog und heiratete eine französische Prinzessin.
Der Rubikon war überschritten, die Würfel waren gefallen.
»Ich komme mit«, sagte Alessandro.
»Mensch, du bist doch nicht die Memme, für die ich dich hielt.« Cesare umarmte ihn. Und wieder spürte er die gewaltige Kraft dieses Mannes. Aber Cesare prüfte ihn auch. Er hielt ihn umklammert, als wolle er ihm zeigen, daß er ihn mit reiner Muskelkraft zerquetschen könne. Cesare hatte sich jedoch getäuscht, wenn er glaubte, in ihm einen Lakaien gefunden zu haben. Wie durch Zufall trat er Cesare auf den Fuß, und als dieser vor Schmerz aufschrie, sprengte er den Klammergriff. Cesare wußte nun, daß die Memme Alessandro Farnese zwar körperlich der Schwächere war, sich aber zu wehren verstand.
Als Alessandro sich von Giulia verabschiedete, blickte sie ihn mit sorgenvollen Augen an. »Soll ich es noch einmal versuchen?« fragte sie.
»Warum nicht? Du bist noch
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