Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
schaute in Rosellas entstelltes Gesicht. Die Hebamme legte Leinentücher bereit und befühlte ihren Bauch. Als Silvia etwas sagen wollte, zerriß sie schon wieder ein Schmerz. Er verschwand plötzlich wieder, und sie dachte an ihren Sandro und an Tiberio, an die Geburt ihrer beiden Söhne, an das Glück und die Freude, als sie die Kinder zum ersten Mal in ihren Armen gehalten hatte …
Und dann gab es nicht mehr viel nachzudenken.
Es war Nachmittag, als das Mädchen das Licht der Welt erblickte: die letzten Sonnenstrahlen eines weichen und warmen Frühlingstags. Es war gesund. Silvia fühlte sich erschöpft, doch nicht dem Sterben nahe. Die Hebamme hielt das krähende Mädchen voller Freude in die Luft. Noch bevor der Nabel abgebunden wurde, legte man Silvia in ihr Bett und das Kind an ihre Brust.
»Wie soll es heißen?« fragte die Hebamme. »Was sagt der Herr?«
»Der Herr sagt nichts«, antwortete Silvia mit schwacher Stimme, »er ist noch nicht einmal anwesend. Costanza soll sie heißen, die Standhafte.«
»Ein schöner Name.«
Rosella drückte ihr einen Kuß auf die Stirn, bedeckte dann aber das eigene Gesicht mit einem Schleier. Die Kleine bewegte ihre Ärmchen und wimmerte ein wenig, als hätte sie eine große Anstrengung überwunden. Aber genau dies hatte sie auch. Und Silvia vergoß Tränen.
Giovanni erschien erst am nächsten Morgen, um das Neugeborene in Augenschein zu nehmen. »Ganz der Vater«, sagte er höhnisch, gab Silvia einen flüchtigen Kuß und verließ den Raum.
Am nächsten Tag wurde getauft. Die Familie Crispo erschien, schaute sich das Kind wortlos an und nahm dann in betonter Frömmigkeit an der Messe teil. An ihren Geschenken erkannte Silvia nicht, ob sie wußten, wer der richtige Vater war. Auch Giulia Orsini, Alessandros Schwester, war gekommen. Cesare Borgia hatte dem Kind eine wertvolle Kette übersenden lassen. Und als die Messe schon begonnen hatte, tauchte Michelangelo auf, winkte Silvia zu und zeichnete während des Taufaktes ununterbrochen.
In der Kapelle stand, unter einer schwarzen Kutte verborgen, ein Mönch. Sie beobachtete ihn immer wieder, aber er ließ sein Gesicht nicht erkennen. Sie wußte nicht, ob sie sich freuen oder ob sie Angst empfinden sollte. Als das Kind dann getauft war, war der Mönch plötzlich verschwunden.
Am nächsten Tag drangen laute Stimmen vom Innenhof hoch. Silvia sollte noch nicht aufstehen, aber es zog sie zum Fenster, weil sie nicht nur Crispo hörte, sondern auch eine andere Stimme, die ihr bekannt und lieb war. Unten im Hof stand eine alte Wiege, neben ihr Giovanni und – Alessandro. Sie hatte es gewußt. Sie rief seinen Namen und winkte ihm, heraufzukommen.
Schnell legte sie sich wieder ins Bett. Giovanni trat als erster ein, schief grinsend, ihm folgte Alessandro, ernst, ja regelrecht mit ängstlichem Blick. Aber dann lächelte er ihr zu, und dieses Lächeln traf sie so tief ins Herz, daß sie beinahe vor Schmerz aufgeschrien hätte. Giovanni sagte etwas. Aber sie hörte nicht auf ihn. Alessandro verbeugte sich vor ihr und schaute dann Costanza ins Gesicht. Das Kind schlummerte und bewegte dabei seine Lippen.
Giovanni griff es, riß es aus dem Schlaf und nahm es auf den Arm. Das Köpfchen wackelte, die Kleine begann sofort zu weinen. Er hielt sie Alessandro hin. Alessandro glaubte, er wolle sie ihm reichen, aber Giovanni riß das Kind wieder zurück.
»Mein Mädchen«, stieß er mit verächtlichem Grinsen aus.
Alessandro schwieg. Er lächelte nur. »Sind wir nicht alle Gottes Kinder?« sagte er schließlich mit leiser Stimme.
Giovanni wurde plötzlich ärgerlich. »Bezeichnest du dich etwa als Gott?«
»Nein, aber als Kind des Allmächtigen.« Alessandro blieb gelassen. Er war einen Schritt zurückgetreten. »Ich freue mich, daß Mutter und Kind gesund sind. Als Geschenk habe ich eine alte Familienwiege mitgebracht. Sie ist wirklich sehr alt, und ich würde mich freuen …«
»Ja, ja«, rief Giovanni, »wir werden sie nicht wegwerfen.«
»Danke, Alessandro!« sagte Silvia, unter Tränen.
Giovanni schaute sie an, dann Alessandro, und mit einer plötzlichen Bewegung drückte er ihm das Kind in den Arm.
»Danke, Alessandro«, äffte er Silvia nach und rannte aus dem Zimmer.
Alessandro sah ihm nicht nach, sondern bettete das Kind in seinen linken Arm, strich ihm die Härchen aus der Stirn und versuchte, die Weinende zu beruhigen. Und tatsächlich, Costanza beruhigte sich.
»Ich segne dich, mein Kind«, sagte er.
Silvia
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