Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
vor der Vergewaltigung gerettet hat, wird man messerscharf schließen, sie habe sich dem Fregnese aus Dankbarkeit hingegeben und dabei doppelte Lust empfunden – was durchaus zutreffend sein könnte, zumindest was die Lust angeht.«
Silvia fühlte sich erstarren. »Wenn du meinst«, brachte sie mühsam hervor und wollte sich erheben. Als ihr Blick Giovanni streifte, blitzten seine Augen sie giftig an. Den Zahnstocher hielt er in der Hand, als wollte er jeden Augenblick zustechen.
Ihr schwindelte, und sie mußte sich wieder setzen.
»Und was die Ehre angeht«, fuhr Giovanni fort, mit einer Stimme, die sie überhaupt nicht an ihm kannte, »so sendet ein Crispo keine geheuerten Mörder aus. Das überläßt er den Borgia und den mit ihnen befreundeten Familien. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß dein Vater, der ehrenwerte Rufino Ruffini, Gott hab ihn selig, dir beigebracht hat, daß man sich unliebsamer Menschen durch Meuchelmord entledigt.«
»Hör auf!« flüsterte Silvia.
»Er war ein ehrenwerter Mann, der Rotschopf Ruffini, ein Bankrotteur zwar, aber ehrenwert. Und am Ende eines Lebens auch noch ein Held. Ein Heiliger.«
»Hör bitte auf!« flehte Silvia.
»Wenn er natürlich auch seine auf so schlimme Weise zu Tode beförderte Gemahlin mit einer Kammerfrau betrogen hat, mit einer Hexe aus der dreckigsten Gosse Roms.« Crispo genoß sichtlich seine Worte. »Niemanden hätte es damals gewundert, so meint wenigstens mein Vater, wenn herausgekommen wäre, daß diese Hure ein wenig nachhalf, die Nebenbuhlerin aus dem Weg zu räumen. Dies nur als Anmerkung zum Thema Meuchelmord.«
Silvia bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. So elend wie in diesem Augenblick hatte sie sich noch nie gefühlt. So erniedrigt. Warum versank sie nicht einfach in eine Ohnmacht, aus der sie nie wieder erwachte? Warum gab ihr Gott nicht die Kraft, aufzustehen und diesen Giovanni Battista Crispo für immer zu verlassen? Warum trat jetzt nicht Rosella in den Raum und brachte ihren Verleumder endgültig und für immer zum Schweigen?
Crispo redete weiter: »Natürlich könnte ich auch ganz heimlich dem Fregnese einen Boten schicken und ihn auffordern, sich mit mir zu schlagen. Aber bist du ernsthaft der Meinung, ich sollte mich mit einem Kriegshelden duellieren, mit einem kampf- und frauenerprobten Eroberer?«
Silvia antwortete nicht, schaute auch nicht auf. Crispos Stimme war scharf geworden, und plötzlich riß er ihre Hände von ihrem Gesicht. »Schau mich an, wenn ich mit dir spreche, und antworte mir! Willst du wirklich, daß ich mich von deinem Fregnese abstechen lasse?«
Silvia schloß die Augen und glaubte, nun wirklich in Ohnmacht zu fallen.
Aber sie fiel nicht.
»Du willst, daß mich dein Geliebter ins Jenseits befördert, damit du endlich freie Bahn hast. Das ist deine heimtückische Absicht. Aber du hast dich getäuscht. Ihr täuscht euch alle in mir. Sogar mein Vater täuscht sich in mir. Ich werde es euch noch zeigen!« Er wischte sich sein Wams ab, als habe er sich besudelt, richtete sich auf, zog es glatt und stolzierte aus dem Zimmer.
Silvias Blick starrte noch lange auf die Tür, durch die er verschwunden war. Und sie wußte: nichts mehr würde so sein, wie es vorher war.
Wenige Tage später – sie hatte Giovanni gebeten, nicht mehr neben ihr zu schlafen – setzten die Wehen ein. Rosella ließ eine Hebamme holen, die Kammer für die Geburt säubern und mit Duftkräutern auslegen. Die Hebamme brachte einen Geburtsstuhl mit. Silvia fühlte, anders als bei den ersten beiden Geburten, eine tiefe Traurigkeit und eine zunehmende Angst. Sie vergoß Tränen, dann durchzuckte sie ein wütender Schmerz. Aber die Wehen verschwanden wieder, und die Angst verstärkte sich. Warum sollte sie nicht jetzt, gerade jetzt, bestraft werden für ihre Sünden? Gott gab und Gott nahm. Gott gab ihr das Leben, Gott nahm ihr das Kind. Wie schon einmal bei Rosellas Sandro. Aber nein, sie wollte nicht, daß das Kind starb, eher wollte sie selbst sterben. Starb sie, würde Alessandro vielleicht das Kind an sich nehmen und es als sein eigenes legitimieren lassen. Dies war ihr auf jeden Fall lieber, als wenn es bei Crispo aufwüchse.
Die nächsten Wehen nahmen ihr die Luft. Sie versuchte, tief zu atmen.
»Woran denkst du, Silvia?« fragte sie Rosella.
Die Hebamme ermahnte sie: »Denkt daran, daß das Kind heraus will! Aber Ihr müßt helfen.« Dann flößte sie ihr eine bittere Flüssigkeit ein.
Wieder verschwanden die Wehen. Silvia
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