Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
wolle er um einen gnädigen Tod bitten. Cesare hob nun sein Schwert über den Kopf, trat einen Schritt zur Seite. Plötzlich wurde es still, ein tausendfaches erschrockenes Einatmen: Das Schwert sauste nieder und trennte mit einem Streich dem Stier den Kopf vom Rumpf. Cesare machte vor Begeisterung über seine eigene Leistung einen Luftsprung, sein Vater fuchtelte, ohne jegliche päpstliche Würde, mit den Armen, die Kardinäle jubelten und lachten, die Menge schien die Stadt mit ihrem Toben sprengen zu wollen. Das Schreien und Brüllen tat Alessandro in den Ohren weh. Er trat einen Schritt zurück und fing einen Blick Lucrezias ein, die zwischen ihrem Vater und ihrem Ehemann Alfonso von Aragon gesessen hatte. Lucrezia schaute ihn mit glasigen, halbgeöffneten Augen an, als stünde sie mitten auf dem Höhepunkt geschlechtlicher Erregung.
Die Triumphfeiern der päpstlichen Familie endeten aber auch mit dem Karneval noch nicht. In einer farbenprächtigen Messe am vierten Fastensonntag ernannte der Pontifex maximus seinen Sohn zum Generalkapitän der päpstlichen Truppen, zum Gonfalioniere der ecclesia militans . Alessandro hatte die Aufgabe, das karmesinrote Barett und den Mantel zu halten, die Insignien der neuen Würde. Während er sie hielt, fragte er sich, wie viele Dukaten, wie viele Ablässe das Barett wohl wert sei. Gefüttert war es mit Hermelinfell. Außen zierte ein Stück Goldbrokat mit vier nußgroßen Perlen die Stirnseite. Auf dem Barett befand sich eine Taube aus reinweißen Perlen.
Alessandro mußte nun Barett und Mantel Kardinal della Rovere reichen, der sie an den Papst weitergab. Dieser legte seinem Sohn den Mantel um und setzte ihm das Barett auf. »Segne, Herr, diesen Unseren Bannerträger, der gewißlich von Dir Uns und Unserem Volke geschenkt worden ist«, rief der Papst. Nun übergab er ihm den Stab der Macht und schließlich auch noch die rote Rose, die während der Messe auf dem Altar gelegen hatte. Cesare mußte niederknien, und der Papst sprach mit seiner lauten, wohltönenden, vor Begeisterung erhöhten und vibrierenden Stimme: »Empfange aus Unseren Händen, die Wir, obzwar unverdient, Gottes Stellvertreter sind auf Erden, die Rose, als Symbol der Freude des triumphierenden Jerusalem wie der kämpfenden Kirche. Nimm sie hin, geliebtester Sohn, der du von weltlichem Adel bist, mächtig und reich an Tugenden, auf daß du fernerhin auch den Adel gewinnest jeglicher Tugend in Christo, dem Herrn. Diese Gunst möge dir aus seiner überströmenden Milde gnädig verleihen, der da ist der Dreieine in Ewigkeit. Amen.« Die Menge wiederholte jubelnd das Amen und brach dann in Beifall aus. Cesare hob die Rose wie ein Siegeszeichen über seinen Kopf und nahm die Huldigung entgegen.
Alessandro wartete. Vor ihn drängten sich in falscher Begeisterung seine Kardinalskollegen, um Cesare zu beglückwünschen. Sogar della Rovere zog seinen Mund zu einem gequält freundlichen Lächeln breit. Der Papst strahlte. Cesare schwenkte zwischendurch immer wieder die Rose durch die Luft und drückte sie schließlich Lucrezia in die Hand, nachdem er sie lange auf den Mund geküßt hatte. Alfonso, Lucrezias Ehemann, stand mit säuerlicher Miene neben ihr. Cesare schlug ihm freundschaftlich, aber zu fest auf die Schulter. Alfonso, der diese Geste überhaupt nicht ertragen konnte, zischte Cesare etwas zu, was Alessandro nicht verstand. Plötzlich stand in Cesares Gesicht der Ausdruck blanker Wut. Er stieß Alfonso weg und riß Sancia, die Frau seines jüngeren Bruders Jofrè, an seine Brust. Sein Gesicht überstrahlte jetzt wieder ein triumphierendes Blecken. Dann senkte er seine Lippen in ihren weichen, vollen Mund, und sie schien nicht abgeneigt, ihren Körper an seinen zu pressen.
Alessandro stellte sich an das Ende der wartenden Prälatenreihe, die vor dem Valentino buckelte. Das Barett des neugekürten Gonfaloniere ragte zwischen all den purpurnen Kappen stolz in die Höhe, und unter ihm leuchtete ein überaus zufriedenes Gesicht. Ja, Cesare hatte es geschafft. Der Tod seines Bruders Juan und der Verzicht auf das Kardinalamt hatten ihm den Weg geöffnet. Fünfundzwanzig Jahre war der Papstsohn alt und inzwischen einer der mächtigsten Männer Italiens, zudem ein Verwandter und Günstling des französischen Königs. Er wußte, was er wollte: Aut Caesar aut nihil .
Aber welche Länder wollte dieser neue Cäsar erobern? Die Herzogtümer des Patrimoniums, gut – aber darüber hinaus? Wollte er die Macht in Neapel
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