Bergisch Samba
bis auf einen aufgeschlagenen Kalender, ein paar Stifte im Becher und den Computerbildschirm völlig leeren Schreibtisch. Plötzlich fiel mir das Konzerthaus ein. Es befand sich auf der anderen Seite der Konrad-Adenauer-Straße. Und wo ein Konzerthaus war, da waren auch Musiker. Vielleicht waren sie an diesem Abend in Solingen aufgetreten?
Ich schaltete den Computer ein und sah ungeduldig zu, wie das Gerät hochfuhr. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sich endlich das Desktop aufgebaut hatte. Ich wollte gerade auf die Internetverbindung klicken, da klingelte das Telefon. Es war Jutta.
»Mensch, Remi. Du meldest dich ja gar nicht. Wolltest du nicht noch hochkommen?«
Wollte ich gar nicht, dachte ich. »Ich bin noch an der Arbeit.«
»Was hat denn dein Besuch im ›Luzifer‹ ergeben?«
Ich fasste zusammen, was ich erfahren hatte. »Jetzt wäre es natürlich günstig, mit den Musikern sprechen zu können. Meine Theorie ist: Im Theater- und Konzerthaus hat es, wie der Name dieses Gebäudes schon sagt, an diesem Abend ein Konzert gegeben. Die Musiker gingen danach zu ihrem Wagen auf dem Parkplatz, um wegzufahren.«
»Vergiss die Theorie«, sagte Jutta. »Es haut nicht hin.«
»Warum das denn nicht?«
»Ich war schon oft nach Konzerten mit den Künstlern zusammen.«
»Ach?«
»Manchmal wird man zu so was eingeladen. Jedenfalls parken die Musiker nicht auf der anderen Seite der Hauptstraße. Sie haben reservierte Plätze hinter dem Konzertsaal.«
»Ich versuche sie trotzdem zu finden. Wer spielt denn so in diesem Konzerthaus?«
»Zum Beispiel die Bergischen Sinfoniker. Die habe ich dort schon oft gehört. Aber trotzdem«, Jutta wirkte immer noch unzufrieden, »irgendwas passt da nicht.«
»Na komm, das sieht doch ganz gut aus. Es wird zwar nicht einfach werden, jeden einzelnen Musiker von so einem Orchester zu befragen. Aber machbar ist das. Wenn du mir hilfst. Schauen wir doch erst mal nach, ob am Abend des 25. April überhaupt ein Konzert war. Als du anriefst, wollte ich gerade ins Internet gehen.« Ich startete die Verbindung, klickte mich zu einer Suchmaschine und gab ein paar Stichwörter ein: das Datum, außerdem »Solingen« und »Theater- und Konzerthaus«.
»Und?«, fragte Jutta.
»Da kommt unheimlich viel.«
»Grenz die Suche ein.«
»Und wie?«
»Die Stichwörter sind Streichquartett und Kammermusik.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Du hast gesagt, es seien vier oder fünf Musiker gewesen. Wie sahen denn die Instrumentenkoffer aus, die sie dabei hatten? Waren es Geigenkästen?«
»So genau hat Grundmann das nicht beschrieben. Woher will man überhaupt wissen, ob in einem Koffer eine Geige ist oder ein Saxofon?«
»Ignorant! Ein Kenner sieht das sofort.«
»Grundmann ist auf diesem Gebiet wohl kein Kenner. Und ich auch nicht.« Meine Worte klangen verärgerter als beabsichtigt. Es nervte mich immer, wenn Jutta von ihrer Nobelwohnung auf dem Brill aus gute Ratschläge erteilte, während die Arbeit an mir hing.
Ich versuchte es trotzdem mit Juttas Vorschlag, und plötzlich war die Liste der Internetseiten ganz kurz. Genauer gesagt - es gab nur noch zwei.
»Und, was ist dabei rausgekommen?«, fragte Jutta.
»Moment, das muss ich mir genauer ansehen.« Ich machte beide Seiten auf.
»Ich hab's«, sagte ich. »An dem Abend hat ein Streichquartett gespielt. Werke von Haydn, Beethoven und Dvorak«, las ich vor.
»Und wie hieß das Ensemble?«
»Immanuel Rosenberg Quartett.«
»Bist du auf der Seite vom Konzerthaus oder auf der Homepage von dem Quartett selbst?«
»Ich glaube, auf der vom Quartett.« Links sah ich ein Schwarzweißfoto von vier Typen, die dem Betrachter blasiert entgegensahen. Einer davon hatte eine seltsame Frisur. Winzige Locken standen dem Musiker störrisch vom Kopf ab. Trotzdem hatte er versucht, einen exakten Scheitel zu ziehen. Ich überflog, wo das Quartett schon überall gespielt hatte, und las dabei Städtenamen wie Paris, London und Tokio. Es war direkt ein Wunder, dass es diese Mordstruppe auch mal in die bergische Provinz verschlagen hatte.
»Bist doch dran?«, fragte Jutta.
»Allerdings. Ich informiere mich gerade über die Größen des internationalen Musikbetriebes.«
»Geh mal auf der Seite nach unten. Gibt's da nicht irgendeinen Hinweis auf einen Agenten?«
»Was meinst du denn damit? Agent 007 oder so was?«
Jutta seufzte. »Solche Künstler haben Agenturen, die für sie die Konzerte akquirieren und vorbereiten. So eine Agentur ist eine gute
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