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Bergisch Samba

Bergisch Samba

Titel: Bergisch Samba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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folgte der Beschilderung, die mich unter den Gleisen hindurch in das Philharmonieparkhaus führte.
    Den Diensteingang des Konzertsaals bewachte ein älterer Mann in hellblauem Hemd, der hinter einer Glasscheibe saß und mich durch dick berandete Brillengläser eingehend musterte. Der Zugang war durch eine zweite Glastür versperrt, die der Pförtner öffnen musste. Ich hatte vorher den Eingang eine Weile beobachtet und gesehen, wie das lief, wenn jemand Kölns Musentempel Nummer eins betreten wollte. Es war sonnenklar, dass man einen guten Grund brauchte, um hineingelassen zu werden. Aber ich war vorbereitet.
    »Hier im Hause probt das Rosenberg-Quartett«, sagte ich.
    »Richtig«, bestätigte der Pförtner.
    Ich hielt einen dicken Briefumschlag in die Höhe. »Für die Aufführung heute Abend fehlen Noten. Ich bin eigens aus Düsseldorf gekommen, um sie Herrn Rosenberg zu bringen und die Änderungen durchzusprechen. Würden Sie mich durchlassen?«
    In dem Kuvert waren alte Computerkataloge, die seit Mannis Zeiten in dem Golf herumlagen. Aber das sah man dem Päckchen nicht an.
    »Eigentlich wollten die Künstler nicht gestört werden«, sagte der Pförtner, und ich erkannte ein Quäntchen Unsicherheit in seinem Blick.     
    »Das ist eine Ausnahme. Frau Kniesbeck von der Agentur hat mich extra angerufen.« Ich sah auf die Uhr, um anzudeuten, dass die Sache ziemlich dringend war. Schließlich nickte der Mann, streckte den Arm aus und drückte auf einen Knopf. Die Innentür summte.
    »Gleich hier rechts runter«, rief er.
    »Danke«, sagte ich und lächelte so verbindlich ich konnte.
    Ich gelangte in ein Treppenhaus, von dem rechts ein Gang abzweigte. Ganz am Ende kam ich zu einer geschlossenen Tür. Aus dem Raum dahinter erklangen merkwürdige Geräusche.
    Ich klopfte. Die Geräusche hörten nicht auf. Sie erinnerten an Katzengejammer.
    Ich klopfte wieder. Das Gejammer blieb.
    Ich drückte die Klinke nach unten und ging einfach hinein. Mir bot sich ein seltsames Bild.
    In der Mitte des Raumes saß ein junger Mann mit einem Cello zwischen den Knien. Er strich darauf herum, was das Zeug hielt. Drei andere hatten je eine Fiedel unter dem Kinn und produzierten ebenfalls irgendwelche Misstöne. Sie saßen aber nicht hinter Notenpulten, sondern umkreisten ihren Kollegen in langsamem Marsch. Es wirkte wie ein fremdartiges Ritual. Als sie mich sahen, brachen sie abrupt ab und starrten mich an. Ich kam mir vor, als wäre ich in eine Umkleidekabine voller halbwüchsiger Mädchen geraten.
    »Was wollen Sie denn hier?«, fragte einer von den vieren. Es war der Typ mit der eigenartigen Frisur.
    »Sind Sie Herr Rosenberg?«, fragte ich.
    »Wer hat Sie hier reingelassen?«, fragte er giftig. »Ich hatte ausdrücklich verlangt, dass uns niemand stört!«
    »Mein Name ist Rott«, stellte ich mich vor, ging einen Schritt in den Raum hinein und schloss die Tür hinter mir.
    »Wir haben hier eine schwierige Probe«, erklärte er und hob dabei die Stimme so sehr, dass sie zu brechen drohte. Gleichzeitig wurde sein eben noch blasser Teint rötlich.
    »Nur eine Minute«, sagte ich.
    »Wir haben jetzt keine Zeit! Auch keine Minute. Nicht mal eine Sekunde!«
    Der Musiker in der Mitte blieb wie erstarrt sitzen; die beiden anderen verzogen sich in den hinteren Bereich des Raumes, wo ein großer schwarzer Flügel stand. Nur Rosenberg blieb vorn stehen. Angespannt wie ein Wachhund. Offenbar war er in jeder Hinsicht der Chef der Truppe.
    »Was proben Sie denn?«
    »Ein neues Streichquartett, das heute Abend uraufgeführt wird.«
    »Interessant.«
    Rosenbergs Stimme klang ehrfurchtsvoll. »Sehr sogar. Es heißt ›Kreisspiel‹. Von Kaihans Bockhausen. Ein neuer Teil seines Zyklus' ›Schwärze‹.«
    »Soso.«
    »Also, was wollen Sie?«
    »Ich komme von der Staatsanwaltschaft Wuppertal und habe ein paar dringende Fragen an Sie.«
    »Jetzt?«
    »Durchaus. Ich ermittle in einem Mordfall.«
    »Das geht nicht. Bitte gehen Sie.« Er hob den Geigenbogen, und das musste so etwas wie ein Kommando sein. Die beiden Musiker am Flügel nahmen wieder ihre Instrumente und kehrten stumm in die Mitte des Raumes zurück. Der Cellist konzentrierte sich einen Moment und setzte den Bogen auf die Saiten. Schlagartig ging das misstönende Gefiedel wieder los.
    »Moment mal«, schrie ich in den Krawall hinein. »Ich glaube es ja wohl nicht!«
    Das Gedudel erstarb; nur Rosenberg machte verbissen weiter, und seine Geige jammerte noch kurz allein. Dann gab er es auf.

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