Bergisch Samba
fiel ein, was Jutta gesagt hatte. »Warum hat Ihre Agentin eigentlich an der Potsdamer Straße geparkt und nicht hinter dem Gebäude, wo es für die Künstler Parkplätze gibt?«
»Vielleicht waren sie schon besetzt«, sagte Rosenberg. »Oder sie hat es vor dem Konzert so eilig gehabt, dass sie den erstbesten Parkplatz genommen hat. Sie kommt oft in letzter Minute.«
»Gut. Und wie ist das Ganze dann abgelaufen? Sie sind also nach dem Restaurantbesuch zum Wagen gegangen. Ist Ihnen auf dem Weg etwas aufgefallen?«
»Natürlich nicht«, sagte Rosenberg. »Wenn wir gesehen hätten, wie jemand ein Kind überfährt, hätten wir ja die Polizei geholt, das können Sie mir glauben.«
»Vielleicht haben Sie einen Wagen gesehen. Einen, der zu schnell gefahren ist. Oder eine Person, die sich auffällig verhalten hat. Jede Kleinigkeit kann wichtig sein. Bitte denken Sie nach.«
Ich blickte in die Runde und sah nur Ratlosigkeit. Alle schüttelten die Köpfe. Auch die beiden Stummen. Immerhin waren sie nicht taub. Obwohl - ich fragte mich, wie man als hörender Mensch solche Musik machen konnte.
Rosenberg griff nach seiner Geige. »Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn wir jetzt weitermachen könnten.«
Ich nickte. Aus denen war wohl nichts weiter rauszuholen.
Sofort sammelten sie sich wieder in der Mitte, um ihr Katzengejammer aufzuführen. Mir war schleierhaft, was man da überhaupt so lange proben musste.
»Eine Sache noch«, sagte ich.
Rosenberg sah mich an. »Ja?«
»Die Polizei hat Sie damals nicht zu der Sache befragt, oder?«
»Das müssten Sie doch wissen. Kommen Sie nicht von der Staatsanwaltschaft?«
Ich grinste. »So wie Sie nicht alle Ihre Konzertdaten im Kopf haben, so kenne ich nicht alle Akten auswendig.«
»Nein. Uns hat niemand befragt.«
»Und Sie haben auch nichts von dem Tod des Mädchens gewusst?«
»Nein«, sagte Rosenberg, und ich spürte, wie er wieder unruhig wurde.
»Das ist erstaunlich, Herr Rosenberg«, sagte ich und legte so viel Misstrauen wie möglich in meine Stimme. »Sehr erstaunlich sogar. Wenn ich offen sein soll, kann ich das gar nicht glauben.«
»Ach ja? Wieso nicht?«
»Wochenlang stand die Geschichte in allen Zeitungen. Es wurde sogar ein Bild des Mädchens abgedruckt, um Angehörige oder Zeugen zu finden. Es meldete sich aber niemand. Absolut niemand, der das Mädchen gekannt haben könnte.«
»Wir haben es auch nicht gekannt«, sagte der Cellist. »Was hätten wir denn der Polizei sagen können?«
»Das meine ich nicht«, sagte ich. »Sie hätten aber von der Sache wissen können. So was vergisst man doch nicht. Wenn man genau an der Stelle vorbeikommt, wo so etwas passiert ist.«
»Stopp«, sagte Rosenberg. »Einen Moment.« Zum ersten Mal, seit ich hier im Raum war, wandte er sich an seinen Cellokollegen. »Hanno, wann war das noch mal?«
»Am 25. April«, sagte ich, ehe Hanno etwas sagen konnte.
Rosenberg nickte, die Spitzen seiner Haare zitterten wieder ein bisschen; dann breitete sich auf seinem Bubigesicht ein breites Grinsen aus. »Ich glaube, Sie haben falsche Vorstellungen von unserem Beruf, Herr …«
»Rott«, half ich ihm auf die Sprünge.
»Herr Rott. Wir haben am 25. in Solingen dieses Konzert gegeben. Am nächsten Morgen sind wir vom Flughafen Düsseldorf aus nach Tokio geflogen. An diesem Tag begann unsere große Asien-Tournee. Sie dauerte sechs Wochen, und danach war jeder von uns zwei Wochen in Urlaub. Dann ging es auf verschiedene Festivals -hauptsächlich in Kalifornien und an der amerikanischen Ostküste. Das heißt…«
»Das heißt, Ihr Quartett ist ziemlich gut im Geschäft. Und Sie waren nicht da, um die Zeitungen zu lesen. Sie haben nichts gesehen und nichts gehört.«
»So ist es.«
»Vielleicht darf ich Ihnen meine Karte geben, falls Ihnen doch noch was einfällt. Dann lasse ich Sie jetzt in Ruhe, damit Sie weiter Ihren Kreisverkehr proben können.« Ich suchte in meiner Jackentasche.
»Kreisspiel«, berichtigte Rosenberg.
Plötzlich meldete sich der Cellist wieder.
»Einen Moment«, sagte er.
»Was denn nun noch?«, brummte Rosenberg genervt.
»Ich glaube, es gibt doch etwas.«
»Hanno, wir müssen jetzt proben«, insistierte Rosenberg. Die beiden stummen Kollegen standen bereits parat.
»Das ist aber vielleicht wichtig.« Er stand auf, lehnte sein Cello auf den Stuhl und ging zum Flügel, auf dem der Kasten für sein Instrument lag.
»Sie müssen mir glauben, dass mir das eben erst eingefallen ist«, sagte
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