Bergisch Samba
anderen Seite war ein Teil des riesigen Raumes mit Neonlampen beleuchtet. Darunter saßen etwa zwei Dutzend Leute gebückt auf Bierbänken und an Biertischen. Es waren Männer und Frauen; sie schienen mit irgendeiner Arbeit beschäftigt zu sein. Sie hatten mich entdeckt und starrten mich ängstlich an, während der Mann auf der anderen Seite immer noch mit dem Handy kämpfte.
Er drückte nervös auf seinem Telefon herum. Wahrscheinlich wollte er feststellen, ob das Ding meine Nummer gespeichert hatte. Zwischendurch sah er den Leuten an den Tischen. Offenbar passte ihm irgendwas nicht.
»Glotzt nicht so dämlich!«, brüllte er. »Macht weiter. Hier gibt's nichts zu sehen.«
Plötzlich drehte er sich um und blickte in meine Richtung - und wenn nun einer dämlich glotzte, dann war er es.
»Guten Tag«, sagte ich. »Wir haben gerade telefoniert. Ich glaube, Sie haben sich noch nicht vorgestellt.«
Sofort brüllte er weiter. Es wirkte eher belustigend, denn der Mann ging mir gerade mal bis zum Kinn. Er erinnerte mich an Rumpelstilzchen.
»Was wollen Sie hier?«, schrie er. »Machen Sie, dass Sie wegkommen!«
Ich schüttelte tadelnd den Kopf. »Mal ganz langsam. Geht man so mit potenziellen Kunden um?«, fragte ich und marschierte seelenruhig auf die Leute zu, die aufgereiht dasaßen.
Sie bastelten Weihnachtsschmuck. Runde Gestecke aus Plastiktannengrün, das sie in mühsamem Gefriemel mit silbernen Girlanden durchsetzten, um es dann um eine dicke rote Kerze zu legen. Die ganze Konstruktion wanderte schließlich in eine Pappschachtel.
Andere stellten kleine Landschaften her. Auf eine lose Anordnung aus trockenen Pflanzen und farbig bemalten Steinen wurde ein Plastiknikolaus gesetzt. Ich fragte mich, aus welchem Science-Fiction-Film diese Weihnachtsszene sein sollte. Es sah aus, als habe sich Santa Claus von seinem Heim am Nordpol in die Wüste verirrt. Im dämmrigen Hintergrund stapelten sich auf der einen Seite Kisten mit Material, auf der anderen die fertigen Schachteln.
Das Zeug würde zum supergünstigen Weihnachtspreis in irgendeinen Billigmarkt wandern und dann seinen Weg als Mitbringsel bei Tante Ernas Adventskaffee machen. Wenn es im nächsten Monat erst mal zur Verschönerung der weihnachtlichen Wohnzimmer beitrug, sah ihm keiner mehr an, dass es von illegal beschäftigten Bastlern zu Hungerlöhnen zusammengefummelt worden war.
Einige der Arbeiter blickten erschrocken auf. Irgendwas passierte hinter mir. Reflexartig drehte ich mich um und bekam Rumpelstilzchen gerade noch rechtzeitig an den Armen zu fassen, bevor er Schlimmes anrichten konnte. Ich verpasste ihm ein paar in seine fette Visage. Er kippte hinten über und fiel auf den Hintern. Auf den Gesichtern der Arbeiter machte sich Belustigung breit.
»Hau ab!«, schrie er, während er vor Wut rot anlief und sich vom dreckigen Boden aufrappelte. »Das hier geht dich überhaupt nichts an. Hau ab!«
»Mich nicht«, sagte ich ruhig, »aber vielleicht interessiert sich die Polizei dafür, was hier abgeht.«
»Dann kommst du hier nicht lebend raus«, sagte er großspurig, als er seine gut anderthalb Meter wieder in die Senkrechte gebracht hatte.
»Okay«, sagte ich und hob die Hände. »Ich gehe. Aber eigentlich bin ich nicht hier, um diese Bude zu kaufen, sondern ich hätte gerne eine Information.«
»Ich bin keine Auskunftei«, brummte der Typ und klopfte sich den Staub aus seiner Hose.
»Und wenn ich diese Information kriege«, fuhr ich fort, »dann vergesse ich vielleicht, was ich hier gesehen habe.«
»Bist du 'n Bulle?«
»So was Ähnliches. Deswegen solltest du mit deinen Drohungen ein bisschen aufpassen.«
»Verdammte Scheiße«, rief er und wischte sich über sein Gesicht. »Und ihr glotzt nicht so blöd, verdammt noch mal«, brüllte er die Arbeiter in der Ecke an. Sofort wandten sie sich ihren Basteleien zu.
»Komm mit, Mann«, sagte er. »Wir reden im Büro.«
Was Rumpelstilzchen Büro nannte, war ein weiß gefliester Raum, der aussah, als hätte man darin früher Schweine geschlachtet. In der einen Ecke stand ein zerkratzter Resopaltisch, dessen Fläche sich ein paar Stapel Papier und eine Batterie leerer Bierflaschen teilten. In der anderen waren Kartons aufgebaut. Der Turm reichte bis zur Decke. Offenbar war das hier nicht nur das Büro, sondern auch das Materiallager.
»Was ist jetzt?«, fragte Rumpelstilzchen und sah mich an.
Ich holte die Kopie des Briefes heraus, die ich bei Sondermann mitgenommen hatte. »Wer hat
Weitere Kostenlose Bücher